SPD-Ortsverein Hausbruch stimmt “fast einstimmig“ für den Verbleib Thilo Sarrazins in der Partei und teilt das Parteichef Gabriel schriftlich mit

Harburg. Thilo Sarrazin hat mit seinem Buch "Deutschland schafft sich ab" viel Geld verdient. Auch in Harburg. "Die Lektüre hat sich sehr gut verkauft", sagt Katrin Schmidt von der Buchhandlung am Sand an der Hölertwiete.

Dass Sarrazin nun doch nicht aus der SPD geworfen wird und auch Hamburgs Ex-Bürgermeister Klaus von Dohnanyi ihn verteidigt, wird nicht nur den Buchverkauf noch einmal anheizen, sondern auch die Diskussionen in Harburgs SPD.

Gehen oder Bleiben - es gibt zumindest für einen Harburger SPD-Ortsverein nur eine Meinung: "Fast einstimmig haben wir uns dafür ausgesprochen, dass Thilo Sarrazin in der Partei bleiben soll", sagt Manfred Schulz, Chef der SPD-Hausbruch. Dabei wollten die Hausbrucher Genossen - 65 Mitglieder hat der Ortsverein - es allerdings nicht belassen. Sie teilten das Ergebnis ihrer Abstimmung per Brief dem SPD-Parteivorsitzenden Sigmar Gabriel mit. "Es war uns wichtig, der Bundespartei gegenüber auszudrücken, dass die SPD noch mehr kritische Geister braucht, die sich trauen, ihre Meinung öffentlich zu vertreten. Die Partei darf keine Maulkörbe verteilen - auch das muss zu sozialdemokratischen Grundsätzen gehören", sagt Schulz. Sarrazin habe mit seinen Thesen eine wichtige Debatte angestoßen. "Wir sollten intensiver darüber nachdenken, wie wir mit Migranten umgehen. In welche Richtung es gehen soll, ist entscheidend für die Zukunft, Stichwort demografischer Wandel", so Schulz. Gerade hier in Harburg, in "seinem" Stadtteil Hausbruch, bestehe Gesprächsbedarf. "Hausbruch hat 17 000 Einwohner, 8000 Menschen haben Migrationshintergrund. Welche Probleme da auftreten, "erfahren wir seit 20 Jahren an unseren Info-Ständen in der Neuwiedenthaler Galleria, weil die Bürger uns permanent darauf ansprechen: Rentner und Frauen, die Angst haben, an Ausländergruppen vorbeizugehen, Jugendgewalt - das geht ja meist von jungen Muslimen aus. Es kommt eines zum anderen." Integrationsbemühungen würden schon mal damit anfangen, Ausländer nicht in bestimmte Stadtviertel abzudrängen. "Die Leute dürfen nicht gettoisiert werden." In Blankenese und Wellingsbüttel, so Schulz, leben weniger Menschen mit Migrationshintergrund als in Hausbruch. "Das muss sich ändern. Über Ansiedlungspolitik muss man offen reden dürfen. Es ist unerträglich, dass gerade der Harburger Bezirk so viele Menschen mit Migrationshintergrund bekommt. Eine vernünftige Durchmischung ist bald nicht mehr gegeben" Und Integration bedeutet für Schulz, dass "Ausländer nicht nur gefördert, sondern auch gefordert werden". Es sei nichts Schlechtes, mit der deutschen Kultur zu verschmelzen. "Dies muss nur richtig vermittelt werden." Allerdings teilt Schulz nicht alle Thesen von Sarrazin. Wie die der genetischen Disposition von Muslimen für mangelnde Intelligenz. Sarrazins Ansichten von der praktischen Wertlosigkeit der Leistungen türkischer und arabischer Migranten oder von der Überfremdung durch eine geradezu fantastische Fruchtbarkeit von Ausländerfamilien geht dem SPD-Bezirksversammlungsabgeordneten zu weit. Allerdings: "Wenn ich mir vorstelle, dass jemand lange Zeit in einem bestimmten Umfeld lebt, wird er bestimmt davon geprägt."

Ganz so offen äußern sich andere Harburger Sozialdemokraten nicht. "Kein Kommentar", sagt der SPD-Bürgerschaftsabgeordnete Sören Schumacher. Und Jürgen Heimath, Vorsitzender der SPD-Bezirksversammlungsfraktion: "Ich habe das Buch nicht gekauft, ich will ja die Einnahmen von Sarrazin nicht mehren." Sarrazin habe sich und der SPD keinen Gefallen getan. Trotzdem müsse man den Beschluss der Schiedskommission akzeptieren, ihn nicht aus der Partei zu werfen, so Heimath. SPD-Kreischef Frank Richter indes hätte sich eine deutlichere Distanzierung von Sarrazins Äußerungen gewünscht, "wenn nicht gar eine Rüge als klare Sanktion". Besonders geht es ihm um die Thesen Sarrazins zur Intelligenz von Muslimen. "Das entspricht nicht der Programmatik der Sozialdemokraten." Die Entscheidung der Schiedskommission ist für Harburgs SPD-Chef eine Art Vergleich. Und der, so der Jurist, "muss nicht jedem schmecken."