Rund 600 Schmetterlinge flattern durch die künstliche erzeugte Tropen des Alaris in Seppensen

Buchholz. Tief fliegt der transparente Glasflügler über den Boden des Regenwaldes. Fast unsichtbar, wären da nicht die schnell schwirrenden Flügel, die dem Schmetterling - so scheint es zumindest - zwei Räder verleihen. Ähnlich bescheiden wie der Glasflügler mit dem schönen Namen Greta oto rotiert Peter Hain seit drei Jahrzehnten, um Menschen in Deutschland für Schmetterlinge zu begeistern. In einem 600 Quadratmeter großen Gewächshaus im Buchholzer Ortsteil Seppensen hat der Architekt einen Regenwald entstehen lassen, durch den stets etwa 600 Schmetterlinge von mindestens 35 verschiedenen Arten fliegen.

Der Eingang in die gemäßigten Tropen führt durch einen Vorhang aus flauschigen grauen Trotteln. Warme Luft umhüllt Besucher und Bewohner des Parks. Nicht mehr ganz weiße Heizkörper hinter grünen Pflanzen sorgen für eine Raumtemperatur von 25 Grad. Durch das Dach fällt Tageslicht. Zu beiden Seiten des kleinen Fußwegs wachsen Bananenstauden, Orchideenbäume, Avocadopflanzen. An einem Bogengang rankt sich eine Schwarzäugige Susanne. Morgens und abends steigt die Luftfeuchtigkeit hier auf 75 Prozent.

Dicht über einem feuchten Fleck auf dem erdigen Boden schwirrt ein schwarz-weißer Kleiner Mormon. Er saugt über die Feuchtigkeit wichtige Mineralien auf. In einem kleinen Teich, in dem Goldfische schwimmen, plätschert das Wasser. Darüber flattert ein Odysseusfalter mit leuchtend blauen Flügeln. "Das ist mein Liebling", sagt Peter Hain. "Bei Sonnenschein wirkt das Blau noch viel intensiver." Auf den ersten Blick unscheinbar wirken dagegen das sogenannte Indische Blatt - das genauso, nämlich verwelkt, aussieht - und die Bananenfalter, die farblich mit den Stämmen verschmelzen, an denen sie hängen. Nichts kann sie aus der Ruhe bringen, so scheint es. Außer sie übertreiben es mit dem Alkohol. Der steckt in den überreifen Bananen und Orangen, die Hain auf kleinen Tischen serviert. Ein Bananenfalter sitzt auf einer der Schalen, sein Saugrüssel steckt in weicher Banane. "Der wird wohl beim Losfliegen ein wenig schwanken", sagt Hain lächelnd. Vielleicht nascht er beim nächsten Mal lieber von dem flüssigen Honig, den der Parkbetreiber auf Nelkenblüten tropft. In ihren bunten Glasvasen sind die roten Blumen ein Anziehungspunkt für die Schmetterlinge. Hain: "Auf rot reagieren sie alle."

Die Schmetterlinge werden in Anzuchtstationen des Ehepaars Hain in Peru, Costa Rica und auf den Philippinen gezüchtet und kommen als Puppen per Flugzeug nach Deutschland. "In diesem Zwischenzustand von der Raupe zum Schmetterling sind sie sozusagen lebendiger Zellbrei und absolut unempfindlich", sagt Peter Hain. Trotzdem greift er behutsam in eine Kunststoffbox. Als er die Hand öffnet, glitzert es wie in einem Schmuckkästchen. Mattgoldene Puppen kullern gegen blinkende Exemplare mit bunten Sprenkeln, die aussehen als wären sie mit Blattgold verziert. Wie ein Jadestein schimmert eine hellgrüne Puppe, daneben erinnert eine braune Puppe, die Hain "Kleiner Affe" nennt, an kunstvoll verarbeiteten Holzschmuck.

Mit den Schmetterlingen, die aus ihnen einmal werden, haben diese von der Natur hübsch verpackten Zellbreiportionen äußerlich wenig zu tun. So auch der Atlas-Seidenspinner, Produzent der kostbaren Atlas-Seide. Erinnert sein Kokon noch an "alte Teebeutel", wie Hain die schlammfarbenen Gespinne treffend beschreibt, gehört der braun gezeichnete Schmetterling mit einer Größe von bis zu 32 Zentimetern zu den auffälligsten Arten im Park.

Für Laien mag so eine Puppe ein Überraschungspaket sein. Für Peter Hain ist es die Oberfläche, hinter der er die Welt der Schmetterlinge erkennt. Etwa 5000 Arten könne er bestimmen, sagt der 67-Jährige bescheiden. "Aber es gibt natürlich noch viel mehr." Schließlich lebten Schmetterlinge seit 130 Millionen Jahren auf der Erde. "Sie haben sich immer wieder an neue Umstände angepasst, haben ihr Verhalten ständig verändert", schwärmt Peter Hain, der 1975 über seine Ehefrau, eine Biologin, zu den Schmetterlingen kam. Seit 22 Jahren betreiben sie den Alaris-Schmetterlingspark in Seppensen, mittlerweile sind drei weitere hinzugekommen. "Auch ich werde immer wieder überrascht", sagt der Besitzer. "Jedes Jahr erlebe ich Neues, das mich mein vermeintlich festes Wissen revidieren lässt."

So bleibe ihm "schleierhaft", wie es der Atlas-Seidenspinner schaffe, seinen Kokon, den er an Blätter verschiedener Pflanzen spinnt, jeweils der Blattfarbe anzupassen. Oder das gute Ortsgedächtnis der Schmetterlinge: Ab und zu schafft es einer, in die niedersächsische Außenwelt zu entwischen. "Seltsamerweise finden sie aber immer zurück." Das Verhalten der Schmetterlinge sei nur wenig erforscht, sagt Peter Hain. Dabei gebe es so viel zu entdecken. Seine Faszination wird wohl noch lange anhalten, er denkt nicht daran, in Rente zu gehen. "Es gibt noch viel mehr offene Fragen als beantwortete."