Die ersten Möbel für das Agrarium am Kiekeberg kommen in Quarantäne, damit der Schädling keine Chance hat

Ehestorf. Ein Jahr vor der Eröffnung des künftigen Erlebniscenters Agrarium beginnen die Mitarbeiter des Freilichtmuseums am Kiekeberg, die ersten der insgesamt etwa 10 000 Ausstellungsobjekte einzuräumen und Sammlungsgegenstände in das Magazin zu schaffen. Die verantwortlichen Wissenschaftler, Dr. Thomas Schürmann und Dr. Nils Kagel, müssen dabei viel Geduld aufbringen: Kein Gegenstand aus Holz, nicht einmal ein Besenstil, darf in die Ausstellungshalle, bevor er nicht in "Quarantäne" war. Damit nicht der vernichtende Holzwurm eingeschleppt wird, müssen mehrere tausend Holzobjekte von der Uhr bis zur Kutsche eine Klimakammer passieren.

Erster Gegenstand, den das Museum in seine neuen insgesamt 520 Quadratmeter großen Magazine im Agrarium einlagert, ist ein massiver Schreibtisch mit Geschichte. Das Möbelstück war ein Geschenk der Kreishandwerkerschaft zur Eröffnung des Kreishauses 1961 in Winsen. Das Wappen ist handgeschnitzt. Vier Landräte haben seit dem an dem Schreibtisch gearbeitet: Karl Buchholz, Philipp Helbach, Otto Schäfer und zuletzt Otto Gellersen. 1996 wollte der Landkreis den Schreibtisch eigentlich zu Sperrholz machen. Das Freilichtmuseum rettete den Landrats-Tisch in seine Sammlung. Besucher werden ihn künftig bei Führungen durch das Magazin sehen können.

Zur Wurmbekämpfung haben Thomas Schürmann und Nils Kagel am Freitag den Schreibtisch in eine eigens angeschaffte Klimakammer gestellt. Zwei Tage lang muss das massive Möbelstück dort ausharren. Das Holz wird dabei in behutsamen Schritten auf bis zu 55 Grad erhitzt, um den Holzwurm abzutöten. Eiweiß platzt bei 43 Grad, der Schädling stirbt.

Die Klimakammer gilt als besonders schonende Methode der Konservierung. Dennoch ist auch das Verfahren nicht ohne Risiko. Wichtig ist, das richtige Verhältnis von Temperatur und Luftfeuchtigkeit zu wählen. Der Landrats-Schreibtisch bereitet den Wissenschaftlern keine Sorgen. Brisanter wird es, wenn das Museum seine 200 Jahre alten Holzmöbel entwurmt. "Möbel könnten aus dem Leim gehen", sagt Nils Kagel. Der Volkskundler ist zuständig für den Umzug aus mehreren im Landkreis verteilten Magazinen in das Agrarium. Eine Alternative wäre ein Stickstoff-Verfahren. Der große Nachteil: Die Holzobjekte müssten zwei Monate lang behandelt werden. Das Agrarium könnte erst in zehn Jahren eröffnet werden.

"Etwa die Hälfte der insgesamt 10 000 Gegenstände, die ins Agrarium geschafft werden, besteht aus Holz", schätzt Thomas Schürmann. Deshalb hat das Museum für 40 000 Euro eine Klimakammer gekauft, hergestellt von einer Spezialfirma aus Horneburg. Das Freilichtmuseum am Kiekeberg sei jetzt eines von nur zwei Museen in Niedersachsen überhaupt, dass über eine Klimakammer verfüge, sagt die Stiftungsratsvorsitzende Heike Meyer. Nach Eröffnung des Agrariums können andere Museen am Kiekeberg die Klimakammer gegen Bezahlung nutzen.

Das Agrarium ist ein Science-Center für die Themen Landwirtschaft und Ernährung. Nach Angaben des Freilichtmuseums am Kiekeberg ist das Konzept einzigartig in Deutschland. Die Eröffnung soll im Mai 2012 sein. Die Ausstellungswelt auf 3000 Quadratmetern zeigt die Herkunft der Nahrungsmittel in der Vergangenheit, in der Gegenwart und Zukunft. Sie bietet Experimente zum Mitmachen, eine Lehrküche und Ausstellungen.

Das Agrarium kostet 5,7 Millionen Euro. Die Europäische Union und der Landkreis Harburg finanzieren die Erlebniswelt. Dreizehn weitere, kleinere Förderer sind beteiligt.