Peter Bause gibt “Jugend ohne Gott“ von Ödön von Horváth am Harburger Theater, und zwar ganz allein

Harburg. Eine theatrale Tour de Force ist dieser Abend für Peter Bause allemal. Umso schöner, dass er mit rauschendem Beifall belohnt wird. Bause schlüpft in dem Einpersonenstück in alle Rollen - frei nach dem Motto "Wer bin ich und wenn ja wie viele?", gibt mal den Erzählonkel, dann wieder verleiht er mit seiner Körperlichkeit unterschiedlichen Charakteren Leben und schafft das kleine Mirakel, dass die Bühne nicht leer, sondern übervoll mit Personen scheint. Ein Wunder der Illusionskunst: Bause lässt das Abwesende mit wenigen "Strichen" sinnlich anwesend sein.

"Jugend ohne Gott" heißt das Stück aus der Feder des Jahrhundertwendeautors Ödön von Horváth, dem der Schauspieler als Einmannunternehmen so viel Unmittelbarkeit abtrotzt. Horváth, der Sprachkritiker, schildert darin einen Lehrer kurz vor Hitlers Machtergreifung, der an der Profillosigkeit der Jugend verzweifelt. Als er rassistisches Gedankengut über "Neger" bei seinen Schülern vorsichtig gerade rücken will, beschert ihm das Misstrauen. Nur der Direktor hält zu ihm. Als der Lehrer seine Sprösslinge in ein vormilitärisches Zeltlager begleitet, macht er die Erfahrung, wie leicht es sich selbst in Schuld verstricken lässt. Aus Neugier liest er das Tagebuch des Schülers Z. und erbricht dafür ein Kästchen. Schüler Z. verdächtigt Schüler N. Kurz darauf ist N. tot. Noch bevor ein Wort die Lippen des Lehrers verlassen kann.

Das Stück macht die NS-Hetzjagd und die Kultur des Misstrauens spürbar, in der nichts Gutes wachsen kann. Doch Schuld wird auch relativiert, selbst der Mörder erscheint als Opfer kalter und verrohter Verhältnisse. Ob es sich schlussendlich über einen Mörder, den man in den Selbstmord getrieben hat, wirklich freuen lässt, bleibt fraglich und zeigt den Geist der Rache, der nicht aus dem System der Schuld ausbricht: So wie Schuld weitere Schuld gebiert, so zieht die Wahrheit im Stück weitere Wahrheit nach sich, aber auch die Frage der Philosophie schlechthin: Wo ist Gott bei all dem? Das Harburger Theater, das mit dem 100-minütigen Monolog, den Axel Schneider und Peter Bause gemeinsam bearbeitet haben, seine Spielzeit beendet, liefert solides Handwerk. Manchmal möchte man der Inszenierung aber eine ästhetische Frischzellenkur wünschen, denn gerade Horváth als Dichter und Sprachkritiker war seiner Zeit voraus. Ein Prise Innovation und Abstraktion im Bühnenbild würden nicht schaden.

Termine bis 17. April, Harburger Theater, Museumsplatz 2. Karten 428 713 604