Katja Becker und Jonathan Happ haben auf ihrer Expedition durch 14 Länder des Kontinents die Nachhaltigkeit von Hilfsprojekten getestet.

Lüneburg/Buchholz. Als Katja Becker ihren jetzigen Partner Jonathan Happ kennenlernte, erzählte er ihr, dass er mit seinem 30 Jahre alten Volvo-Truck nach Afrika fahren wolle. Das hielt sie, so sagt sie, für einen "überheblichen Spruch". Dennoch war für die inzwischen 28-Jährige, die als Krankenschwester bereits drei Mal in Afrika gewesen war, klar: "Da komme ich mit." Im Alleingang organisierte und absolvierte das Paar die halbjährige Reise, es entstanden ein Buch und ein Film. Dieser wurde gestern im Lüneburger "Scala"-Programmkino uraufgeführt; am Samstag, 9. April, wird das Roadmovie "Expedition Nachhaltige Entwicklung" um 13 Uhr im Buchholzer Delhi Center Movieplexx Kino gezeigt.

Es war nicht nur ihre Abenteuerlust, die sie zu dieser Reise inspiriert hätte, sagen Katja und Jonathan. Vielmehr sei es die Frage gewesen, welche Art von Entwicklungsprojekten nachhaltig und fruchtbar sei.

Katja hat diese Frage besonders beschäftigt: Als 21-Jährige, direkt nach ihrer Ausbildung zur Krankenschwester, hatte sie mit dem Verein für gemeinnützige Jugendarbeit Dibbersen in Kenia eine Geburtenstation aufgebaut. "Als ich zurückkam, war ich so unsicher: Ist das richtig so, wie wir es gemacht haben?"

Auch den heute 30jährigen Jonathan Happ beschäftigt dieses Thema schon lange. Er studiert Kulturgeografie mit Schwerpunkt Entwicklungshilfe an der Leuphana Universität in Lüneburg, sein Vater hat zusammen mit Katja am kenianischen Hilfsprojekt mitgearbeitet. So entstand die Idee, vor Ort nachzuprüfen, wie andere Entwicklungsprojekte gehandhabt werden - und wie effizient sie sind.

20 Hilfsprojekte unterschiedlichster Art haben Katja und Jonathan auf ihrer Reise durch 14 Länder besucht. Ihr Fazit ist desillusionierend: "Wir haben auf der ganzen Reise sehr, sehr wenig gesehen, was den Stempel 'Nachhaltigkeit' verdient", sagt Jonathan Happ. Lediglich zwei, vielleicht drei Projekte sind ihrer Meinung nach gut - "und das sind keineswegs die finanzkräftigsten, sondern eher die mit einem guten Management".

Das große Problem: Häufig werden nicht die Ursachen der Probleme, sondern nur die Symptome bekämpft, und das auch noch, ohne die lokalen kulturellen Strukturen zu berücksichtigen. Denn was nützt eine Schule, wenn es keine Lehrer gibt und die Kinder ohnehin arbeiten müssen? Was nützt es, wenn Essen an Familien verteilt wird, nach Beendigung des Projekts können sie sich aber immer noch nicht selbst versorgen?

Viele Maßnahmen zielten nur auf kurzfristige Erfolge ab oder wirkten generell "unreflektiert", sagen Happ und Becker. So beispielsweise das Mikrokredit-Projekt Sudia bei Khartoum, wo südsudanesische Flüchtlinge unterstützt würden. "Eigentlich ist die Idee gut", sagen Happ und Becker. Sie gehe auf den Nobelpreisträger Muhammad Yunus aus Bangladesh zurück: Kleinste Kredite sollen es den Ärmsten ermöglichen, sich eine Zukunft aufzubauen. Doch anders als in Bangladesh fehle hier die konstante pädagogische Betreuung; Gesundheitsvorsorge, Schulbesuch und Gespräche über die geschäftlichen Erfolge, Eckpfeiler in Yunus' Konzept, fehlten hier. Der Effekt: Es gibt im Flüchtlingslager inzwischen so viele Eselskarren, die Wasser holen, dass das Geschäft nicht mehr rentabel ist, vor allem, da in Kürze ein Brunnen gebohrt werden soll. Und: Die Geschäfte erledigen hier meist die Kinder, statt in die Schule zu gehen.

Es ist nicht möglich, die Eindrücke der gewaltigen, mutigen Reise auch nur annähernd zu schildern. Ein Blick in das Buch, der Besuch der Filmvorführung oder der Homepage mit ihren Kurzfilmen, einem täglichen Blog und zahllosen Fotos lohnen sich. Denn es sind nicht nur die Erkenntnisse über die Entwicklungsprojekte, die Happs und Beckers Werke so spannend machen. Die beiden haben es verstanden, fundierte Forschungsarbeit kurzweilig zu verpacken: Das 45minütige Roadmovie fesselt genau wie die Homepage und das Buch durch fantastische Landschaftsaufnahmen, witzige Kommentare und berührende, ja, verstörende Szenen der Armut und Hilflosigkeit der Bevölkerung.

Hoffentlich wird es noch mehr geben - das aktuelle Roadmovie ist erst der erste von insgesamt sechs geplanten Teilen. Wann sie aber an ihren Filmen weiterarbeiten können, ist noch unklar - "wir müssen das ja alles neben Job und Studium machen", erklärt Katja Becker.

Zuerst einmal geht es am 27. April zurück nach Afrika. Jonathan möchte dort für seine Magisterarbeit recherchieren - was bringt Fairtrade wirklich? - und Katja will nach ihrem Hilfsprojekt, der Geburtenstation in Kenia, sehen. Ob sie dort aufgrund ihrer neuen Erkenntnisse etwas verändern wird? "Bestimmt", meint sie und lächelt.

Karten für die Filmvorführung in Buchholz können auf der Internetseite reserviert werden, das Buch ist in der Lüneburger "Buchhandlung am Markt" und auf der Homepage erhältlich.

www.expedition-nachhaltige-entwicklung.de