Das Helms-Museum lässt die bedeutendsten Bodendenkmale im Landkreis aus der Luft fotografieren

Hollenstedt. So kann Archäologie heute auch aussehen: In einer Waldlichtung bei Hollenstedt sitzen zwei Männer mit schwarzen Videobrillen. Vor den Augen haben sie eine virtuelle Zahlenwelt, die ihnen hilft eine fliegende Kamera zu steuern: Flughöhe, Energiestatus, Kompass und noch viele andere Daten liefert die technische Sehhilfe. Der Pilot am Boden fliegt mit einem Live-Bild auf der Brille. In 250 Meter Höhe lassen die beiden Experten eine Schwebeplattform mit acht winzigen Elektromotoren und Spiegelreflexkamera "an Bord" am Himmel kreisen. Ziel des "fliegenden Auges" ist das bedeutendste frühgeschichtliche Bodendenkmal im Landkreis Harburg: die Wallanlage einer Burg aus dem 9. Jahrhundert.

Das Hamburger Museum für Archäologie und die Geschichte Harburgs, besser bekannt als Helms-Museum, hat das Unternehmen Helicontrol GbR aus Taaken beauftragt, Luftfotos von zwei herausragenden archäologischen Fundstellen im Landkreis Harburg zu machen. Das ferngesteuerte unbemannte Fluggerät liefert dem Kreisarchäologen Dr. Jochen Brandt bisher nie gesehene Ansichten der alten Burg bei Hollenstedt und des steinzeitlichen Großsteingraben im Klecker Wald.

Zum ersten Mal überhaupt setzen die Wissenschaftler des Helms-Museums eine Kameraschwebeplattform als archäologisches Hilfsmittel ein. Die Technologie hilft, den Zustand der Denkmale zu kontrollieren und zu dokumentieren.

Archäologen haben die Überreste der Burg bei Hollenstedt in den Jahren 1968 bis 1974 erforscht. Den Mythos, es könnte sich um eine "Karlsburg", also eines Festung Karls des Großen handeln, haben sich dabei widerlegt. Wer die Burg um 870 errichtet hat und warum, ist bis heute ein Geheimnis geblieben. Eine Theorie lautet, die Stader Grafen könnten die Erbauer sein. Vielleicht sollte sie vor Angriffen der Wikinger schützen, sagt Jochen Brandt. Sicher ist: Der Fund gilt bis heute als eines der zwei wichtigsten Zeugnisse der Vergangenheit im Landkreis Harburg.

Oft hält Jochen Brandt Vorträge über die alte Burg bei Hollenstedt. "Wir haben aber kein vernünftiges Bildmaterial" sagt der Archäologe. Vom Boden lässt sich das bis heute erhaltene Wallsystem nur unzureichend ins Bild setzen. Keine Frage: Aus der Vogelperspektive wirken die Verteidigungsanlagen aus dem Mittelalter imposanter und beeindruckender.

Mit 700 Euro hat der Förderverein des Helms-Museums die Luftfotos finanziert. Die außergewöhnlichen Aufnahmen sollen letztlich auch dem Museumsmarketing dienen. Die Fotos könnten in Tourismusbroschüren abgedruckt werden und sich so refinanzieren, sagt Jochen Brandt. Der Archäologe hofft, die Technologie bei weiteren Denkmalen einsetzen können. Mehr als 5300 archäologische Fundstellen gibt es im Landkreis.

Die fünf Kilo schwere Schwebeplattform des Unternehmens Helicontrol ist eine Eigenentwicklung. Das unbemannte Fluggerät in der Größe eines Greifvogels mit ausgebreiteten Schwingen ist mit GPS, Navigation, Kompass, Höhenregler und Telemetrie ausgestattet. Acht Elektromotoren halten das aus ultraleichten Karbonfasern gefertigte Gerüst in der Luft. Selbst wenn bis zu vier Motoren ausfallen, fliegt die Plattform noch stabil und kann sicher gelandet werden. Für maximal 15 Minuten Flugzeit reicht die Energie. Nicht einmal acht Minuten brauchen der "Pilot" Thomas Mahlmann und der "Fotograf" Sven Ruhland für den Flug über der Hollenstedter Burg.

Wer in Deutschland eine Schwebeplattform aufsteigen lassen will, muss nur zwei Bedingungen erfüllen: "Er braucht eine Aufstiegsgenehmigung des Grundstückseigentümers", sagt Geschäftsführer Sven Ruhland, " und das Fluggerät darf nicht mehr als fünf Kilo wiegen." Eine gesetzliche Regelung für Flugroboter gibt es in Deutschland nicht.

Fotoflüge wie der über Hollenstedt sind bis zur Windstärke fünf möglich. Kommt eine Videokamera zum Einsatz, sollte der Wind noch schwächer wehen. Das Unternehmen Helicontrol erhält die meisten Aufträge von der Industrie und von Filmproduktionen. Die Schwebeplattform hilft dabei Windenergieanlagen zu überwachen oder den Baufortschritt von großen Baustellen zu beobachten. Die Bundeswehr hat ein unbemanntes Fluggerät schon 2006 bei der Cebit vorgestellt.