Seit zwei Jahren leben 13 Menschen mit Handicap in einem Wohnprojekt mitten in Wennerstorf

Wennerstorf. Aus einem Zimmer dröhnt Staubsauger-Gebrumme. Lars, 37, und Agnes, 35, räumen die schmutzige Wäsche zusammen. Heute wird die Waschmaschine angeschmissen. Ob noch jemand dreckige Wäsche habe, fragen sie ihre Mitbewohner. Auf dem Herd in der Küche köchelt schon das Mittagessen für den Sonntag. Kohlrouladen haben sich die Bewohner gewünscht. Heute gibt es Nudelauflauf.

Lars gehört zum Beirat des Wohnheimes. In diesem Beirat besprechen die Bewohner Probleme und für die Bewohner anfallende Entscheidungen. "An den Wochenenden können wir uns wünschen, was wir essen wollen. Wenn wir Leute einladen, machen wir auch mal Würstchen oder belegte Brötchen, das ist nicht so viel Arbeit", sagt er. Nils, 24, geht über den Hof zum Nebengebäude, wo seine drei Meerschweinchen in einem Kaninchenstall leben. Am Wochenende hat er Zeit, den Stall sauber zu machen und sich in Ruhe um seine Meerschweinchen zu kümmern. Und Meerschweinchen Maxi quiekt auf Nils Arm, zärtlich streichelt der junge Mann das Tier. Nils: "Sobald es draußen wärmer wird, bauen Lars und ich ein schönes Freigehege für die drei, und dann wollen wir uns auch Kaninchen dazu holen."

Agnes, Lars und Nils genießen ihr freies Wochenende. Angesagt sind Ausschlafen, DVD im Wohnzimmer, einen restaurierten und umgebauten alten Schafstall ansehen, Tischtennis spielen, Lesen, Spaziergänge, Kino, Kneipenbesuche oder einfach nur faulenzen. Oder sie laden Freunde aus anderen Wohnheime, wie den Spethmann-Häusern in Neu Wulmstorf ein und feiern gemeinsam. Agnes malt in ihrer Freizeit und bastelt Halsketten. Lars: "Die Ketten verkaufen wir dann, das Geld kommt in unsere Urlaubskasse." Und Agnes fügt hinzu: "In diesem Jahr kochen wir im Urlaub wieder selbst, weil wir im letzten Sommer zu oft essen gegangen sind, war unsere Kasse ziemlich schnell leer."

Wahrscheinlich fahren die Bewohner des Wennerstorfer Wohnheims in diesem Sommerurlaub wieder nach Dänemark in Ferienhäuser. In der Woche arbeiten sie in der Montage in der Tostedter Werkstätte der Lebenshilfe oder auf dem benachbarten Museumsbauernhof des Freilichtmuseums am Kiekeberg.

Im Wennerstorfer Wohnheim, Träger ist die Stiftung Freilichtmuseum am Kiekeberg, leben derzeit 13 Menschen mit geistigen und körperlichen Behinderungen gemeinsam wie in einer Großfamilie. Unterstützt werden sie von Pädagogen und dem Hauselternpaar Ingrid und Helmut Ersfeld-Tympel und derzeit noch zusätzlich von Björn Dammann. Der 21 Jahre alte Mediengestalter macht gerade sein Freiwilliges Soziale Jahr im Wennerstorfer Wohnheim und bewirbt sich jetzt um ein Auslandspraktikum. Mitten im Wennerstorfer Dorfkern wurde das Wohnheim auf dem etwa 5000 Quadratmeter großen alten Johms Hoff gebaut.

Bei der Konzeption des Wohnprojektes wurde ganz bewusst an die Tradition der Großfamilie angeknüpft. Der dörfliche Zusammenhang in Wennerstorf fördert die Integration der Bewohner, leistet andererseits auch einen Beitrag zum aktiven Dorfleben. Und dieser dörfliche Lebenszusammenhang bietet den Menschen mit ihren Behinderungen einen überschaubaren Raum, in dem sie weitgehend selbstständig leben und sich orientieren können.

Im Obergeschoss des Wohnheimes leben Ingrid und Helmut Ersfeld-Tympel. Das Hauselternpaar ist Ansprechpartner, Kummerkasten, Köchin, Organisatoren, Handwerker und Beistand für die Bewohner. Bei den Ersfeld-Tympels können sie ihre Sorgen loswerden, bekommen Hilfe wo es nötig ist. 2009 wurde das Wohnheim in Wennerstorf eingeweiht, sieben Jahren nachdem die ersten Planungen für eine Wohngruppe begonnen hatten. Treibende Kraft bei dem Unternehmen war die Stiftung, die für ihr Projekt Spenden sammelte, bei den zuständigen Ministerien in Hannover um finanzielle Unterstützung warb.

Große Unterstützung erfuhr das Projekt von der Lebenshilfe Lüneburg-Harburg, die vielen der Bewohner in ihren Werkstätten beschäftigt. Für das Konzept war von Anfang an wichtig: Das Wohnheim soll den Menschen mit Behinderung auch in der Zeit nach ihrer Erwerbstätigkeit auf dem Museumsbauernhof oder in den Werkstätten der Lebenshilfe ein Zuhause geben, in einer dörflichen und bewusst überschaubaren Umgebung.

Im Schafstall zeigt Agnes stolz ihre Bilder, die sie teilweise allein, teilweise aber mit anderen Bewohnern zusammen gestaltet hat. "Die Blumen, die habe ich ganz freihändig, ohne Zeichnung gemalt", sagt sie und lächelt.