Lachen der Zuschauer ist die schönste Belohnung für Amateurschauspieler Horst Voßberg

Harburg. "Wunderbar, großartig! Das ist fantastisch, ich weiß es.", ruft Horst Voßberg und feuert sich scheinbar selbst an, während er für die Fotografin posiert. Normalerweise sitzt er nicht in den bequemen Samtsesseln im Zuschauerraum des Harburger Helms-Saals, sondern steht selbst auf der Bühne, auf der gerade das Altonaer Theater seine Kulissen aufgebaut hat. Das Foto ist im Kasten. Der 71-Jährige geht hinter die Bühne und löscht das Arbeitslicht im Saal. Es ist später Nachmittag. Wir setzen uns in das Café im Foyer des Helms-Museums.

Horst Voßberg bestellt ein Bier und fängt an zu erzählen. Voßberg liebt das Rampenlicht. Seit 30 Jahren spielt der Rentner im plattdeutschen Amateurtheater "De Nedderdütsche". Er hat schon Heidi Kabel, Wilhelm Wieben oder Günter Willumeit die Hand geschüttelt. Das Gefühl von Lampenfieber kennt der Rentner trotzdem allzu gut: "Eiskalte Hände, Schweißperlen auf der Stirn. Diese Minuten vor dem Auftritt können einem wie eine Ewigkeit vorkommen."

Als Schauspieler wisse man ja nie, wie das Publikum reagiert. "Wenn du einmal einen Satz rausgekriegt hast, ist alles gut. Das Publikum klatscht, du kannst einmal durchatmen", erklärt Voßberg. Eine der Lieblingsrollen des 71-Jährigen war die eines Mannes, der seine Mutter vor dem Altersheim bewahren wollte - als guter Gegenspieler seines egoistischen Bruders. Horst Voßberg spielt aber genau so gerne "dumme Bauern, die plumpe Bauernart, dieses richtig schön Blöde, das mag ich gerne. Da lachen die Leute so schön."

Dass er in Harburg mittlerweile bekannt ist, genießt der Hobbyschauspieler. "Wer mich kennt, meinen Koffer oder meine Nase, der fragt sich schon 'Wo ist er denn?' wenn ich im Urlaub bin", sagt Voßberg. In den Urlaub fährt der Rentner zwar gerne, die große Ferne sucht er aber nicht. Mit einer Bekannten reist er am Liebsten ins Schwabenland.

Unter dem Tisch holt Horst Voßberg einen kleinen Plastikkoffer hervor. Der braune, bunt beklebte Koffer sei sein Markenzeichen, den habe er "eigentlich immer dabei". Er klappt den Koffer auf. Stifte, Anstecknadeln, Flyer und andere Papiere, Visiten- und Autogrammkarten sowie Fotos von "De Nedderdütsche" kommen zum Vorschein - alles fein säuberlich angeordnet.

Bis vor der Gründung des Amateurtheatervereins "De Nedderdütsche" im Jahre 1981 hatte Horst Voßberg noch nichts mit der Schauspielerei zu tun. 1940 in Ratzeburg, Schleswig-Holstein, geboren, zog er mit 20 nach Hamburg-Wandsbek und ging zur Bundeswehr. Neben seiner Laufbahn als Unteroffizier hat er dort den Beruf des Stahlbauers gelernt und arbeitete ab 1963 im Hamburger Hafen bei MAN. 40 Jahre lang machte er Schiffs- und Kesselreparaturen. "Eine sehr schöne Zeit", wie er im Rückblick sagt. Beim Tanztee lernte Voßberg seine 2005 verstorbene Frau kennen.

"Ich habe eine Zigarette von ihr geschnorrt", erinnert sich der Rentner an die erste Begegnung mit Renate. Ein Jahr später heiratete er die Postangestellte, mit der er zwei Kinder bekam. Seine Tochter Kirsten ist heute 46 Jahre alt, sein Sohn Dirk ist 41 und Schauspieler in einer eigenen Theaterrevue.

Sein damals sieben Jahre alter Sohn war es auch, der Horst Voßberg zum Theater brachte. Erst als Chauffeur, dann selbst als Darsteller.

Der Ehemann einer Erzieherin in der Kindertagesstätte hatte vorgeschlagen, eine plattdeutsche Theatergruppe zu gründen, aus der später "De Nedderdütsche" entstand. "Ne, lass mich damit in Ruhe", war Voßbergs erste Reaktion auf die Idee. Mittlerweile ist er seit 1983 Vorsitzender des Amateurtheatervereins, der heute 32 Mitglieder, darunter 20 aktive Schauspieler, zählt. Einige Mitglieder der bunt gemischten Truppe hat Voßberg persönlich zum Mitmachen animiert. Durch seine 17 Jahre lange Tätigkeit als Betriebsratsvorsitzender der IG Metall kenne er viele Leute, so der Rentner stolz.

Mit der in den Augen seines 16 Jahre alten Enkels "anderen Sprache", dem Plattdeutschen, ist Horst Voßberg aufgewachsen. "Meine Eltern haben nur Plattdeutsch mit mir gesprochen", sagt der 71-Jährige. In Hamburg habe er erst mal Hochdeutsch "lernen" müssen, an der Volkshochschule in Wandsbek, erzählt der Wahl-Hamburger lachend. Das war, bevor er 1965 nach Rönneburg in Harburg zog. Heute unterrichtet der Rentner selbst Plattdeutsch für die Mitglieder des Amateurtheatervereins und für Kinder benachbarter Schulen.

In Kindertagesstätten liest er plattdeutsche Geschichten vor. "Das ist immer witzig. Sie glauben gar nicht, wie die herrlich gucken mit großen Augen, obwohl sie noch kein Plattdeutsch können", freut sich Voßberg. Den Nachwuchs fördert der Vereinsvorsitzende auch innerhalb seiner eigenen Theatergruppe. "In zwei Jahren sollen die jungen Leute den Vorsitz übernehmen", wünscht er sich.

Der Rentner will zwar etwas kürzer treten, es ist ihm aber wichtig, geistig und körperlich fit zu bleiben. Seit 1967 geht Horst Voßberg einmal im Monat zum Kegeln. Auch in der Kegelgruppe ist er Vereinsvorsitzender und "der letzte Mohikaner" der Gründermitglieder. Er ist außerdem "zahlendes Mitglied" der SPD und war erst kürzlich als Wahlhelfer in Harburg aktiv. An jedem zweiten Sonnabend im Monat ist Voßberg auf TIDE 96.0 im Radio zu hören.

Die plattdeutsche Sendung "Platt im Radio" moderiert er mit einem langjährigen Freund und Theaterkollegen.

Nicht nur vor dem Mikrofon "schnackt" der Entertainer gerne, sondern auch in seiner Stammkneipe "Lindenhof" in Heimfeld.

Dort trifft sich jeden ersten Donnerstag im Monat der plattdeutsche Amateurtheaterverein. "Und wer nicht da ist, über den wird hergezogen", sagt Voßberg mit leicht sarkastischem Unterton. Das Motto des 71-Jährigen: "Ich liebe das Leben!"