Der Harburger Briefmarkensammlerverein beklagt fehlenden Nachwuchs. Das Hobby reizt vor allem ältere Menschen

Harburg. Er ist verzweifelt. Olaf Jacobsen vom Harburger Briefmarkensammler-Verein versteht die Welt nicht mehr. Niemand aus der jüngeren Generation scheint sich noch für organisiertes Sammeln von Marken, Münzen, Ansichtskarten & Co. zu interessieren. Das traditionsreiche Hobby droht bald selbst zur Antiquität zu verkommen. "Wir haben schon viel probiert, um junge Menschen für unseren Verein zu begeistern, aber keine dieser Maßnahmen hatte bislang Erfolg", sagt der 64-Jährige aus Rosengarten enttäuscht.

Von den 88 Mitliedern der Harburger Briefmarken-Freunde sind die meisten längst im Rentenalter. Sympathische ältere Herren, die sich zweimal im Monat treffen, um Briefmarken und andere Sammelobjekte zu tauschen und dabei das ein oder andere, nette Gespräch zu führen. "Wir können froh sein, dass wir immerhin auch 13 Frauen in unseren Reihen haben", bemerkt Vorstandsmitglied Jacobsen und betont, dass das ein überdurchschnittlich hoher Wert für einen Philatelisten-Verein sei.

Lediglich mit der Anwerbung neuer und vor allem jüngerer Mitglieder will es irgendwie nicht klappen. "Der Altersschnitt? Grauenhaft!", gesteht Jacobsen und kramt ein paar alte Belege von Briefen hervor, die einst per Hubschrauber verschickt worden sind. "Bei dem hier handelt es sich um den ersten Beleg nach dem Zweiten Weltkrieg", erklärt der ehemalige kaufmännische Angestellte und deutet auf einen mit vielen Stempeln versehenen Zettel.

Keine Frage, der Mann brennt für sein Hobby. Und das bereits seit Februar 1962. Eine kleine Zigarrenkiste, die Jacobsen als 15-Jähriger unter dem Holzboden seines Elternhauses fand, erweckte damals seine Sammelleidenschaft. In der Schachtel lagen zwei alte Fünfmarkstücke, ein Zweimarkstück mit einem Luther-Motiv, eine kleine silberne Pfeife und eine silberne Zigarrenspitze, die sein Vater dort versteckt hatte. "Keine sehr werthaltigen Dinge", sagt der 64-Jährige, "aber ich würde sie wahrscheinlich meinen Lebtag nicht mehr rausrücken."

Warum es kaum noch junge Menschen gibt, die eine ähnliche Sammelleidenschaft entwickeln wie er selbst, kann sich Olaf Jacobsen nicht richtig erklären. "Sicher, die jungen Leute sitzen meist vor dem Computer oder nutzen andere Freizeitangebote", sagt das engagierte Vereinsmitglied, "aber durch ein Hobby wie das Briefmarkensammeln könnten sie sich weiterbilden und echtes Kulturgut erleben."

Jede Briefmarke, jedes Sammelobjekt habe seine eigene Geschichte. "Wenn man die in Katalogen nachschlägt, erfährt man viel über Gesellschaft und Kultur", betont Jacobsen.

Seine Euphorie teilen allerdings immer weniger Menschen. Die Philatelisten verzeichnen sinkende Mitgliederzahlen. Von geschätzten drei Millionen Briefmarkensammlern in Deutschland sind laut Bund Deutscher Philatelisten nur rund 53 000 in etwa 1250 Vereinen und Arbeitsgemeinschaften organisiert. Fast 3000 Mitglieder haben den Dachverband im vergangenen Jahr verlassen und nur 2000 neue kamen hinzu. Ein Minus von rund 1000 engagierten Sammlern.

Was man gegen die Misere unternehmen kann? Olaf Jacobsen ist ratlos. Nicht einmal seinen inzwischen 27-jährigen Sohn konnte er von der Sammelleidenschaft überzeugen. "Ich denke, wir müssen einfach Leute in einem etwas gesetzteren Alter ansprechen, die sich bereits etabliert haben und bei denen Beruf und Familie in festen Bahnen verlaufen", orakelt Jacobsen über potenzielle Zielgruppen des Harburger Vereins. Ein Patentrezept für die Anwerbung hat der 64-Jährige allerdings nicht parat. Darüber müsse man sich im neu gewählten Vorstand erst noch weitere Gedanken machen, sagt er.

An der Atmosphäre im Verein liegt der Nachwuchsmangel jedoch ganz sicher nicht begründet. Denn die ist überaus angenehm und herzlich. Und auch finanzielle Gründe können nach Ansicht des Vorstandsmitglieds keine entscheidende Rolle für das Fernbleiben jüngerer Leute spielen. "Gesammelt werden kann schließlich fast alles", sagt Olaf Jacobsen.

Auch wer sich die "Blaue Mauritius" also nicht leisten kann, ist bei den Harburger Briefmarkensammlern herzlich willkommen. "Es geht hier nicht darum, teure Werte zusammenzutragen, sondern Spaß und Freude an einem Hobby zu haben", betont Jacobsen. Der 64-Jährige glaubt trotz aller Negativerfahrungen der vergangenen Jahre weiterhin an die Chance, die Überalterung des Harburger Briefmarkensammlervereins stoppen und irgendwann auch jüngere Mitglieder begrüßen zu können. "Der Mensch bleibt Jäger und Sammler", sagt Jacobsen. Und daran werde sich auch in Zukunft nichts ändern. Zumindest die Zuversicht hat sich der 64-Jährige bewahrt. Sie ist es, die ihn antreibt. Als Sammler, so scheint es, gibt man eben niemals auf.