Anwohner in Wulfsen werfen OHE vor, klammheimlich die Bahnstrecke intensiver zu nutzen und Ausbaupläne voranzutreiben

Wulfsen. "Hier findet gerade eine schleichende Ertüchtigung statt", sagt Angeliki Redetzki von der Interessengemeinschaft Lebensqualität (IGL) Wulfsen und schaut auf die Gleise, die sich an dem idyllisch gelegenen Wohngebiet entlang schlängeln - von manchen Gartenzäunen gerade mal einen Schritt weit entfernt. Gemeint ist die Trasse der Osthannoverschen Eisenbahnen Aktiengesellschaft (OHE).

Die hatte vor zwei Jahren ihre Pläne vorgestellt, die so genannte Luhebahnstrecke von Winsen über Salzhausen bis nach Soltau als Gütertransport-Strecke für den Hafenhinterlandverkehr auszubauen und zu nutzen. Eine Ankündigung, die bei den Anwohnern entlang der OHE-Strecke auf großen Widerstand stieß.

"Vorausgegangen war diesem Vorhaben ein vom Land Niedersachsen 2008 in Auftrag gegebenes Gutachten", so Holger Mayer, 46, aus Eyendorf. "Es sollte geprüft werden, welche Schienen-Verkehrswege in der Region langfristig für den Gütertransport zusätzlich zur Straße genutzt werden könnten." Daraus habe die OHE ihre Möglichkeiten zur intensiveren Nutzung der Strecke abgeleitet: In der Anfangsphase sollten 20 Züge täglich über die Schienen rollen und je nach Ausbauphase könnte diese Zahl noch erheblich gesteigert werden, hieß es von Seiten das Unternehmens. Ertüchtigung heißt der Fachausdruck dafür.

Danach folgten Besichtigungstermine vor Ort. Unternehmensvertreter sowie Landkreis- und Landespolitiker besuchten die kleinen Ortschaften und ihre zornigen Bürger. "Die Politiker haben uns anschließend bestätigt, dass eine solche Nutzung der Strecke unzumutbar sei", erinnert sich Angeliki Redetzki. Und eine Bewältigung des Hafen-Güterverkehrs auf einer 100 Jahren alten Strecke absurd. Danach wurde es ruhig um die OHE-Pläne.

Bis vergangenes Jahr. "Es sind mehr Züge geworden und sie fahren jetzt auch nachts", sagt Angeliki Redetzki und schlägt ein Hochglanzprospekt auf. 1999 hat sie mit ihrer Familie im Wulfsener Neubaugebiet gebaut, nur wenige Meter von den Gleisen entfernt. Die Strecke sei damals als Museumsstrecke ausgewiesen gewesen, sprich kaum ein Zug fuhr hier lang. Das sei mittlerweile anders und es könnte noch viel schlimmer werden, befürchtet die Wulfsenerin. Die Folge: Lärmbelästigung, eine zunehmende Gefährdung der Kinder, Wertminderung der Grundstücke und sogar mögliche Schäden an den Häusern.

"Wir haben das Gefühl systematisch an der Nase herumgeführt zu werden", sagt Holger Mayer von der Bürgerinitiative Nordheide. "Meiner Meinung nach werden gerade alle Maßnahmen durchgeführt, die in dem Gutachten von 2008 unter Ertüchtigungsstufe Eins aufgeführt waren." Einzelne Bahnübergänge wurden in den vergangenen Monaten mit Halbschranken versehen, Gleise wurden ausgetauscht und das Gleisbett stellenweise ausgebessert. "Und das alles wurde uns als Routine-Arbeiten zur Gewährleistung der Sicherheit an der Strecke verkauft", ärgert sich der Eyendorfer. Jetzt rattern mehrere Züge die Woche durch die Kleinen Ortschaften - zu jeder Tages und Nachtzeit. Gezogen werden die 30 bis 40 Wagons von bis zu zwei Loks. Beladen sind sie randvoll mit Steingut.

Die Zunahme des Güterzugverkehrs habe eine ganz andere Ursache, hieß es von Seiten des Unternehmens auf Nachfrage der Rundschau. "In Kooperation mit der Deutschen Bahn beliefern wir seit einiger Zeit einen Winsener Baustoffhändler mit Baustoffen wie Schotter oder Steine", so Matthias Herten, Vertriebsleiter bei der OHE. Aktuell würden keine Baumaßnahmen, die eine Ertüchtigung vorantreiben, durchgeführt. Und: Zu keinem Zeitpunkt habe es konkrete Planungen gegeben, die Strecke Winsen-Hützel auszubauen, heißt es. Aber: Sollte die Auslastung der Strecken im Seehafenhinterlandverkehr, in den letzten Jahren durch die Wirtschaftskrise rückläufig, wieder steigen, könnte bei einer ganzheitlichen Planung auch diese Strecke mit einbezogen werden.

"Wenn ich einen Käufer für mein Haus hätte, würde ich verkaufen", sagt Abdullah Kaya, 42. Und da sei er nicht der einzige. Von seinem Wohnzimmer aus kann Abdullah Kaya die Züge an seinem Haus vorbeirattern hören. "Und bei uns klirren die Gläser in den Regalen", so Axel Skischus, 39.

Angeliki Redetzki möchte nicht weg ziehen aus Wulfsen. "Wir sind hier eine sehr gute Gemeinschaft", betont sie. "Und als solche werden wir auch zusammenhalten und kämpfen." Die Bürgerinitiativen fordern als Alternative einen weiteren Ausbau der Hauptstrecke Winsen-Lüneburg bis nach Hannover. Dafür sei der Bau des dritten Gleises zwischen Stelle und Winsen unabdingbar.