Der Hittfelder Superintendent Dirk Jäger schreibt über seine Schicht mit der Polizeistreife

Hittfeld. Nein, ich musste nicht - ich wollte. Einmal eine Nachtschicht bei der Polizei erleben. Uwe Lehne, Polizeidirektor in Buchholz, hatte es mir angeboten; Erwin Dittbrenner, Leiter der Kommissariats in Seevetal, hat es möglich gemacht. Pünktlich zum Dienstbeginn am Samstag um 20 Uhr melde ich mich als Praktikant auf der Wache in Hittfeld.

Freundlich empfangen mich Isabella Pawlak (26), Viktoria Tautges (24), Johannes Roth (30), Viola Behr (29) und Sven Söker (44), der Schichtleiter. Ein paar Informationen vorab beim ersten Kaffee - Organisatorisches, Dienstpläne, Einbruchsstatistik. Nicht gerade beruhigend, im Landkreis Harburg ist die Fallzahl hoch. Vor allem tagsüber, wenn die Bewohner aus dem Haus sind.

Draußen befreit Viola Behr den blau-silbernen Passat vom Schnee und kontrolliert die Ausrüstung. Nach den ersten Metern steigt sie kurz auf die Bremse um zu prüfen, ob es glatt ist. Wir fahren eine erste Runde Richtung Kiekeberg. Es dauert nicht lange, bis wir zum freundlichen "Du" übergehen - Nachtarbeit verbindet.

Der Wind ist schneidend, als wir auf freier Strecke aussteigen

Vor uns biegt ein Auto auf die Straße, geradewegs vom Parkplatz einer Gaststätte. "Stopp - Polizei" zeigt die auffordernde Leuchtschrift auf unserem Dach. Der Wind ist schneidend, als wir auf freier Strecke aussteigen. Viola Behr fragt den Fahrer, ob er etwas getrunken hat und einverstanden ist mit einem freiwilligen Test. Der eine Likör, den er angegeben hat, scheint zu stimmen - das Gerät zeigt 0,0 Promille.

"30/22 für 01", per Funk ordert uns Isabella Pawlak zum Kreisel Richtung Marxen. Ein Wagen liegt schräg im Graben, weit und breit kein Fahrer zu sehen. Wir fordern einen Abschleppwagen an, denn das unverschlossene Fahrzeug muss geborgen und sichergestellt werden. Im Schnee fahnden Viola Behr und ich nach Fußspuren und machen einige Fotos davon. Derweil sucht Sven Söker im Auto nach Dokumenten und fühlt, ob es nass ist im Beifahrer-Fußraum: "Klarer Fall, er war allein - alles trocken". Der Praktikant bekommt eine Lehrstunde in Sachen kriminalistischer Sorgfalt und hat kalte Füße.

Inzwischen haben Viktoria Tautges und Johannes Roth einen von einem Zeugen gemeldeten Verdächtigen an Bord, der allerdings wenig auskunftsfreudig ist. Es hilft ihm wenig - letztlich überführt ihn sein im Handschuhfach zurückgelassenes Handy. Um den (positiven) Alko-Test auf der Wache kommt er nicht umhin.

Gegen Mitternacht haben wir uns eine Stärkung verdient. Viola Behr hat selbst gemachte Blätterteigteilchen dabei und stellt sie in den Ofen. Die Kaffeemaschine blubbert nicht zum letzten Mal in dieser Nacht.

Auf der zweiten Tour dann zunächst ein kurzer Parkplatz-Check bei der Hittfelder "Mühle". Anschließend weiter Richtung Meckelfeld und Over. Bei "Oma Lores Tanzpalast" treffen wir auf einen fürsorglichen Vater, der mit der Taschenlampe in der Hand für die reibungslose Abfahrt der Geburtstagsgäste seines Sohnes sorgt. So soll es sein - wir sind begeistert. Über Maschen, Ramelsloh und Helmstorf geht es zurück nach Hittfeld. Ich hole mir noch rasch Expertenrat in Sachen Vorfahrtsregelung auf dem Parkplatz vor unserem Haus. Gegen 3 Uhr wollte ich eigentlich gehen. Ein paar Abschnitte meiner Einführungsansprache für eine neue Pastorin müssen noch überarbeitet werden. Sven kocht "Abschiedskaffee", der Funk sagt so gut wie gar nichts mehr. Viktoria Tautges und Johannes Roth schreiben Berichte. Isabella Pawlak bringt ein paar Fahndungsmeldungen auf den Tisch - mittlerweile hat die Nacht auch in ihrem Gesicht erste Spuren von Müdigkeit hinterlassen.

Nach der zweiten Tasse reden wir über Beförderungsstau, Familiäres und wie frustrierend es sein kann, wenn es bei einem ermittelten Täter nicht zur Anklage reicht. Und dann fragen sie mich. Wie ich als Theologe damit umgehe, wenn ein Kind zu beerdigen ist. Und sagen, wie gut es ist, einen Notfallseelsorger für die Angehörigen zu haben, wenn die Beamten wieder los müssen nach einer überbrachten Todesnachricht. Die Nacht schreitet voran, aber unser anregendes Gespräch hilft uns über den toten Punkt.

Es ist ihnen unangenehm, dass sie mir nichts Aufregendes bieten

Fast ist es ihnen ein bisschen unangenehm, dass sie mir in dieser Nacht so wenig "Aufregendes" bieten konnten. Aber gehört und gesehen habe ich dennoch genug. Vor allem von engagierten und motivierten Polizisten, die den Titel "Freund und Helfer" zu Recht tragen. Um fünf Uhr bin ich wieder zu Hause und werfe den Rechner an - die Ansprache braucht Feinschliff. Aber auf diese Stunde kommt es nun auch nicht mehr an; die Kollegen auf der Wache sind schließlich auch noch im Dienst. Vielleicht gerade unterwegs zu einem Unfall, einem Familienzwist oder einer Schlägerei. Ob sie nach zehn Stunden dann immer noch so korrekt und freundlich sind? Doch, da bin ich mir sicher - Dienst ist Dienst.

Nein, ich musste nicht - ich wollte. Ich habe viel gelernt in dieser Nacht. Und vor allem gespürt, dass es besser ist, miteinander als übereinander zu reden. Mit Menschen, die ihren Kopf für unsere Sicherheit hinhalten und manches ausbaden müssen, was an anderer Stelle schief läuft. Gut zu wissen, dass sie für uns da sind.