Der Einzelverkauf der Glimmstängel ist verboten, wird in Harburg aber praktiziert. Damit verstoßen die Verkäufer gegen das Tabaksteuergesetz.

Harburg. Ordnungswidrigkeit sind geringfügige Verletzungen der Rechtsregeln, für die das Gesetz eine Geldbuße vorsieht. Solche Ordnungswidrigkeiten spielen sich auch in Kiosken im Hamburger Süden ab: Kioskbesitzer und -angestellte verkaufen meist jüngeren und nicht allzu kaufkräftigen Rauchern - einzelne - Zigaretten. Also nicht eine ganze Packung, sondern einzelne Kippen!

Wir haben nachgeschlagen: Damit verstoßen die Verkäufer gegen Paragraf 23, Absatz 3 des Tabaksteuergesetzes: "Die Mindestgröße für Zigarettenpackungen beträgt bei Abgabe zum Verbrauch im Steuergebiet 17 Stück. Ein Stückverkauf ist unzulässig."

Und dann kommt auch gleich Paragraf 30 ins Spiel: "Ordnungswidrig im Sinne des Paragrafen 381 Absatz 1 Nummer 1 der Abgabenordnung handelt, wer vorsätzlich oder leichtfertig einer Vorschrift des § 23 des Tabaksteuergesetzes über (...) den Stückverkauf zuwiderhandelt." Also: Wer einzelne Zigaretten verkauft, begeht eine Ordnungswidrigkeit. Zigarillos und Zigarren dürfen nach dem gleichen Gesetz einzeln verkauft werden.

Wir haben nachgeschaut: Werden in Harburg einzelne Zigaretten verkauft? Wie läuft das Geschäftsprozedere ab? Und was für Ware bekomme ich als Raucher, wenn ich nur eine einzelne Zigarette zu erwerben beabsichtige?

Das quantitative Resümee vorweg: Sieben von zehn willkürlich ausgewählten Harburger Kioskbesitzern und -verkäufern kommen an diesem Tag unserem Wunsch nach, und verkaufen uns einzelne Zigaretten. In Tabakfachgeschäften hingegen sind einzelne Zigaretten in Harburg nicht zu haben.

Kostproben: Ein Kiosk in Harburg. "Ich habe nicht so viel Geld dabei und hätte gerne eine Zigarette." Der Verkäufer greift unter den Ladentisch und holt eine "Winston" aus einer Packung. Etwa fünf Zigaretten fehlen schon. "30 Cent", sagt der Mann um die 60. Eine Winston kostet rechnerisch 23 Cent. Der Mann hat sieben Cent auf den offiziellen Verkaufspreis verdient.

Ein anderer Kiosk. "Normalerweise darf ich das nicht", sagt der Mann um die 60. "Das sind meine eigenen Zigaretten." Er holt eine Zigarette aus einem weißen Kaffeebecher - etwa 15 Stück sind noch drinnen. "25 Cent", sagt der Mann. Wir prüfen die Zigarette nach dem Kauf: Sie ist selbst gestopft, das Filterpapier kommt von John Player, der Tabak ist unbekannter Provenienz. Materialkosten: maximal elf Cent, rechnet ein Harburger Fachhändler aus - die Gewinnspanne also: 14 Cent.

Ein Kiosk und Callshop. Der ältere Testkäufer bekommt keine Zigarette. "Leider nicht da", sagt der Verkäufer um die 25. Eineinhalb Stunden später: Ein jünger Testkäufer, 18 Jahre alt, betritt den Laden und stellt die Testfrage. Der Verkäufer um die 16 zögert erst, dann sagt er "Ja!". Er greift unter die Theke und übereicht eine "Burton" - ein paar Meter von ihm entfernt steht sein Vater, hinter dem Testkäufer eine Kundin. Eine Burton kostet rechnerisch 21 Cent. Der Verkäufer verdient bezogen auf den Verkaufspreis neun Cent, weil er 30 Cent verlangt.

Den größten Reibach pro Zigarette macht ein Mann um die 35. Unser Testkäufer fragt nach einer Zigarette, er hat 60 Cent in der Hand. "Ja, natürlich!", sagt der Kioskbesitzer, greift unter die Theke und überreicht zwei "Smart" - Billigzigaretten von Penny - macht 60 Cent. Smart gibt es bei Penny in der Packung, man kann sie aber auch selber stopfen. Im offiziellen Angebot des Kiosks sind sonst keine Penny-Zigaretten. "Der unversteuerte Nettogewinn pro Penny-Zigarette liegt in diesem Fall bei bis zu 19 Cent", sagt ein Harburger Fachhändler.

"Das Tabaksteuergesetz dient dazu, Kinder und Jugendliche vom Rauchen abzuhalten", sagt ein anderer. "Aus dem gleichen Grund wurden Kleinpackungen verboten. Dahinter steht der Gedanke, dass 30 Cent für eine Zigarette leichter zusammenzukratzen sind als 4,50 Euro für eine Packung."

Ein weiterer Harburger Fachhändler spricht gar von "Steuerhinterziehung - diese Zigaretten werden einzeln mit einer höheren Marge verkauft als in der Originalpackung. Diesen Gewinn streicht der Verkäufer steuerfrei ein."

Der Sprecher der Bundesfinanzdirektion Nord, Michael Riez, bleibt gelassen: "Nur wenn wir feststellen, dass sich diese Verkäufer mit den Einzelzigaretten eine goldene Nase verdienen, könnte aus einer Ordnungswidrigkeit ein Steuerstrafverfahren werden."

Ein Harburger Maschinenbau-Student, der sich "ab und zu mal eine einzelne Kippe kauft", meint: "Man sollte die ganze Geschichte nicht so hoch hängen. Die Einzelzigarettenverkäufer bedienen ja nur eine Marktlücke und machen dabei kein allzu großes Geschäft."