Oliver Berten macht in Winsen Politik, ist in Dortmund aber krankgeschrieben

Winsen. "Wenn ich einen Mitarbeiter hätte, der krankgeschrieben ist, aber in Dortmund ehrenamtlich ein Amt ausübt - da würde ich als Chefin auch nachfragen, was dahintersteckt", sagt Winsens Bürgermeisterin Angelika Bode (parteilos). Die Wellen schlagen in diesen Tagen hoch an der Luhe. Zeitungsreporter und TV-Teams aus Nordrhein-Westfalen wählen die Nummer der Kreisstadt, bitten um Interviews. Im Mittelpunkt des öffentlichen Interesses steht dabei der Fraktionsvorsitzende der Freien Winsener, Oliver Berten, 57.

Bei der Stadt Dortmund als Amtsleiter angestellt, ist der Kommunalpolitiker seit nunmehr fünf Monaten krankgeschrieben. Die Diagnose: Depression. Sein politisches Ehrenamt führt er trotzdem aus, auch als Bürgermeisterkandidat für die Winsener Kommunalwahlen 2011 ist Berten im Gespräch.

Hintergrund: 1993 wurde Berten Leiter der Dortmund-Agentur und damit Marketingchef der Stadt Dortmund. Der zweifache Familienvater pendelte zwischen NRW und Niedersachsen hin und her. Seine politischen Ämter führte er trotzdem aus, das sei für seinen Arbeitgeber nie ein Problem gewesen, sagt er. 2009 standen in Dortmund Kommunalwahlen an, die in der Ruhr-Stadt einen Verwaltungs-Skandal nach sich zogen: Ullrich Sierau (SPD), Stadtdirektor und Gewinner der Oberbürgermeisterwahl, habe im Wahlkampf ein 100-Millionen-Haushaltsloch der Stadt verschwiegen. Neuwahlen wurden angesetzt. Ullrich Sierau musste das erst kürzlich erworbene Amt vorerst niederlegen.

"Trotzdem hat sich Ullrich Sierau sein Bürgermeistergehalt weiter auszahlen lassen", empört sich Berten. Der Marketingchef habe daraufhin den Gegenkandidaten der CDU in seiner Freizeit unterstützt, sei mit ihm sogar in der Rathauskantine Mittagessen gegangen. Trotzdem: Auch beim zweiten Termin wählte die Mehrheit der Dortmunder den SPD-Mann. Er wurde Bürgermeister und damit Oliver Bertens neuer Chef.

Danach sei es stetig bergab gegangen. Obwohl er dem neuen Rathaus-Chef mehrfach seinen Willen zur konstruktiven Mitarbeit signalisiert habe, habe ihn Ullrich Sierau auflaufen lassen. "Meiner Abteilung wurden die Mittel gekürzt, ich habe keine Aufträge mehr bekommen", sagt Berten. Das habe ihn schwer belastet und am Ende krank gemacht. Die Symptome: Atemnot, Schlaflosigkeit in der Nacht, bleierne Müdigkeit am Tag. Im September sei er dann zum Arzt gegangen. Seitdem ist er in Behandlung.

"Man muss Rückgrat beweisen, einen graden Weg gehen", begründet Berten sein Handeln. Daher sein Kampf für einen anderen Bürgermeister-Kandidaten. Sicher, mit einem Sieg Ullrich Sieraus habe er rechnen müssen.

Aber warum kündigt Oliver Berten dann nicht? Wäre das in dieser Situation nicht der gerade Weg - ein klarer Schlussstrich nur konsequent? "Das geht nicht", so Berten, "ich habe eine Familie zu ernähren." Die Arbeitslosigkeit könne er sich nicht leisten. Und eine Anstellung in seinem Alter zu finden, sei sehr schwierig. Deshalb habe er sich im November mit einem Angebot an die Stadt Dortmund gewendet, das Arbeitsverhältnis aufzulösen.

Im Zuge dessen habe er um ein angemessenes Übergangsgeld bis zum Antritt eines neuen Jobs oder bis zu seinem 63. Lebensjahrs gebeten. Das stehe ihm nach 18 Jahren gute Arbeit für die Stadt zu. "Eine Abfindung von 300 000 Euro, wie es manche Zeitungen schreiben, habe ich nie verlangt", so Berten. Außerdem sei er zu einer Betriebsärztlichen Untersuchung in Dortmund bereit. "Ich kann überall arbeiten, nur nicht in Dortmund." Die ehrenamtliche politische Arbeit in Winsen trage sogar zu seiner Genesung bei, findet er.

"Das sehen wir anders", sagt Udo Bullerdieck, Leiter der Pressestelle der Stadt Dortmund. "Wir sind für einen Neuanfang gesprächbereit, objektiv gesehen gibt es keinen Grund für Herrn Berten, nicht in Dortmund arbeiten zu können."

"Moralisch kann man sein Handeln fraglich finden, aber rechtlich gesehen lässt sich Oliver Berten durch seine Fraktionsarbeit trotz Krankschreibung nichts zuschulden kommen. Auch eine Kandidatur für das Bürgermeisteramt ist sein gutes Recht", so Angelika Bode. "Wir hier sehen keine Veranlassung, die Sache weiter zu verfolgen."

Auch die Freien Winsener stehen hinter ihrem Fraktionschef, sagt Fraktionsmitglied Iris Winklareth. Oliver Berten habe von Anfang an mit offenen Karten gespielt. Ob die Freien Winsener ihn als Bürgermeisterkandidaten aufstellen, werde auf der Mitgliederversammlung am Freitag, 18. Februar, entschieden. Dass sich seine Krankheit nachteilig auf seine Kandidatur auswirken wird, glaubt Berten nicht. "Auch wenn einige politische Gegner mir das vielleicht zum Nachteil auslegen werden." Jetzt wartet Oliver Berten erst einmal auf eine Antwort aus Dortmund.