“Könntest du bitte noch mal deine Matte gerade hinlegen?“ Ich brauche einige Sekunden, um die zwei Zentimeter Schieflage meiner Yogamatte zu registrieren. Und dies ist schon die zweite Rüge innerhalb zehn Minuten!

Als ich die Schule betrat - mit der absoluten Gewissheit, als langjähriger Yogi im Fortgeschrittenkurs richtig zu sein - hieß es: "Klar, hast du das schon mal gemacht - aber nicht bei mir!" Stefanie, kurz Steff genannt, führt also ein strenges Regiment.

"Jetzt zieht ihr mit der linken Innenleiste Richtung oberes Schambein". Ich frage mich, ob da überhaupt ein Muskel verläuft: "Maike, das Bein muss gerade sein. Beindehnung ist eine Grundvoraussetzung des Yoga." Aha. Ablehnung anderer Sportarten offenbar auch, wie ich feststelle - als ich die Frage nach Kopfstand-Erfahrung mit meinem Lieblingssport Capoeira bejahe, verzieht sich Steffs Gesicht nahezu in Ekel.

Als die Stunde vorbei ist, packe ich meine Sachen, achte noch auf eine symmetrische Faltung meiner Decke und gehe zur Tür. Für einen Moment ziehe in Erwägung, mit dem oberen Wangenmuskel ein verabschiedendes Lächeln zu hinterlassen - aber ich entscheide mich dann doch dagegen.