Deutsch-türkischer Unternehmer Necdet Savural aus Brackel gibt Sarrazin Kontra

Brackel. Wenn Necdet Savural über Integration spricht, dann hören auch Kanzlerin Angela Merkel und Ministerpräsident David McAllister aufmerksam zu. Populistische Stammtischparolen der einen oder der anderen Couleur sind seine Sache nicht, der 58 Jahre alte Unternehmer aus Brackel nennt Versäumnisse der Politik beim Namen und will jungen Menschen mit Migrationshintergrund Mut machen.

Savural weiß, wovon er spricht.

Geboren in der Osttürkei, kam er 1970 nach Ramstein in der Pfalz. Seit 1991 lebt er mit seiner Familie in der Nordheide. Den größeren Teil seiner bisher 58 Lebensjahre hat er in Deutschland verbracht. Sein privates Glück fand Necdet Savural hier, als Geschäftsmann ist er erfolgreich, und ganz selbstverständlich engagiert er sich ehrenamtlich in Politik und Vereinsleben.

Während Thilo Sarrazin Deutschlands Zukunft in düsteren Farben malt, ist es Necdet Savural längst nicht so bange: Die Integration ist machbar, ist seine Botschaft. Respekt verdiene Sarrazin dafür, dass er "den Finger in die Wunde legt - die Diskussion muss geführt werden", sagt Savural. Doch die Thesen des Ex-Bankers, SPD-Politikers und Buchautors Sarrazin sind ihm zu provokativ und "bewusst erniedrigend", die Vorwürfe zu pauschal. Damit lasse sich zwar ein Buch gut verkaufen, die Realität sei aber viel differenzierter.

Außerdem sage Sarrazin nichts Neues, schon vor 20 Jahren sei abzusehen gewesen, dass "hier eine Parallelgesellschaft entsteht". Viele hier lebende, aus dem Ausland stammende Menschen begegneten Deutschland mit Ablehnung und Verachtung. "Das geht nicht. Wer hier lebt, muss auch die Sprache erlernen und an der Kultur teilnehmen", fordert Savural.

"Wir erziehen zur Faulheit und zur Abgrenzung von der Gesellschaft", kritisiert er. Dass gerade Kinder aus türkischen Familien häufig nicht vom deutschen Bildungssystem profitieren, ist für Savural "ein Phänomen". Viele Türken in der Türkei seien moderner und weltoffener als in Deutschland lebende Landsleute. In der Türkei versuchten Eltern, alles zu tun, um ihren Kindern eine gute Ausbildung zu ermöglichen, verdienten nebenbei noch Geld, damit die Kinder Schulen besuchen oder zur Universität gehen können. Deutschland solle "nicht nur fördern, sondern auch fordern". Die Politik habe es lange versäumt, eine nachhaltige Integrationspolitik zu entwickeln und umzusetzen.

Der Schlüssel zur Integration sei die Sprache. "Vielfach wurden Paare durch die Familien verkuppelt, die Frauen aus der Türkei kamen dann ohne Sprachkenntnisse her." Die Einführung von Sprachnachweisen sei deshalb ein richtiger Schritt. Ebenfalls wichtig seien Menschen mit Vorbildfunktion - wie die niedersächsische Sozialministerin Aygül Özkan. Sie sei aber bisher leider ein Einzelfall: "Wir haben Abertausende Frau Özkans, ungeschliffene Diamanten, Menschen mit türkischer Herkunft, die hier leben und die Deutschland lieben." Ihnen müsste gesagt werden: "Wir brauchen euch. Wer sich Mühe gibt, kann sogar Minister werden."

Aber nicht nur hoch qualifizierte und topintegrierte Menschen mit Migrationshintergrund sollten motiviert werden, auch Kinder in der Hauptschule dürften nicht das Gefühl der Perspektivlosigkeit haben. "Wir brauchen nicht nur Universitätsabsolventen, nicht nur Ärzte, wir brauchen auch Klempner und Automechaniker - das sind alles ehrenwerte Berufe." Deshalb macht Savural auch beim Coachingprojekt "My Life" des Landkreises Harburg mit, das Hauptschülern bei der Suche nach Ausbildungs- und Praktikumsplätzen hilft: "Wir müssen uns um künftige Generationen kümmern. Dafür ist das ein Superprojekt, davon brauchen wir mehr."

Ganz wichtig für die Integration sei das Mitmachen in Vereinen, im Schützenverein, bei der Feuerwehr oder im Sportverein.

Necdet Savural macht selbst auch mit, er ist Mitglied im Samtgemeinderat und stellvertretender Vorsitzender des CDU-Ortsverbandes Hanstedt. Beim jährlichen "Orientalischen Abend" im Hotel Sellhorn in Hanstedt tritt er in der Theatergruppe auf. Seine Firma "Red Nose" ist Sponsor des MTV Brackel, und beim DRK-Kindergarten in Marxen ist er Ehrenhäuptling, seit er das Material für ein Indianerzelt spendiert hat.

Und dann ist da noch die Geschichte vom Einwanderer aus der Türkei, der in Deutschland zum Schützenkönig wurde: Seit zehn Jahren ist Necdet Savural im örtlichen Schützenverein und erlebt dort "Freundschaft pur". Seit dem vergangenen Sommer regiert er jetzt das Schützenvolk in Brackel - darüber berichteten auch die Zeitungen in der Türkei. "Integration ist möglich, ohne dabei die eigenen Wurzeln zu verlieren", sagt Savural, der den Beinamen "Sonnenkönig" bekam.

Beim Königsball hieß das Motto "Wir wollen voneinander lernen". Savural verkleidete sich als Sultan und ließ den Gästen innovative binationale Spezialitäten wie den "Vollintegrationsteller" mit türkischem Kartoffelsalat und deutscher Bockwurst servieren. Dazu kam ein deutsch-türkischer Sprachkursus, und eine Bauchtänzerin verbreitete orientalische Lebensfreude.

Viel ernsthafter war dagegen Savurals Rede über Integration im Oktober 2010 vor 1700 Teilnehmern einer CDU-Veranstaltung in Bad Fallingbostel - zu den Zuhörern zählten auch Bundeskanzlerin Angela Merkel und Niedersachsens Ministerpräsident David McAllister. "Ich habe mich spontan entschieden, etwas zu sagen, war aber auch ein bisschen aufgeregt". "Wir müssen dieses Land gemeinsam als unsere Heimat hegen und pflegen", sagt Necdet Savural. Und wenn er von "Wir" spricht, dann meint er genauso die Türken wie die Deutschen: "Ich bin beides."