Der SPD-Mann könnte als Einziger Wilhelmsburg in der Bürgerschaft vertreten

Der Sozialdemokrat Metin Hakverdi, 41, ist nach aktuellen Prognosen der einzige Wilhelmsburger, der eine realistische Chance hat, in die Bürgerschaft gewählt zu werden.

Hamburger Abendblatt:

Herr Hakverdi, Sie sitzen seit fast drei Jahren in der Hamburgischen Bürgerschaft, nach dem Sie im Februar 2008 mit 20,6 Prozent der Stimmen in ihrem Wahlkreis ein Top-Ergebnis erzielt haben. Jetzt starten Sie auf Platz 3 der Wahlkreisliste im Wahlkreis 2. Wie sehen Sie ihre Chancen bei dieser Wahl?

Metin Hakverdi:

Ich bin ganz zuversichtlich, aber es wird wegen des neuen Wahlrechts nicht mehr so ein Superergebnis wie bei der letzten Wahl werden. Diesmal müssen die Wähler ihre Stimmen individualisieren, also eine Person wählen. Da wird es für mich komplizierter, weil auf Platz 1 ein Kollege aus Billstedt kandidiert, wo deutlich mehr Wahlberechtigte leben.

Der Wilhelmsburger CDU-Bürgerschaftsabgeordnete Jörn Frommann startet auf Platz 29 der Landesliste. Welche Chancen geben Sie ihm?

Hakverdi:

Das müssen Sie ihn fragen. Aber egal aus welcher Partei ein Kandidat kommt, wird es auf einem Landeslistenplatz 29 sehr eng.

Sie sind also der einzige Wilhelmsburger, der eine realistische Chance haben dürfte, in die Bürgerschaft gewählt zu werden. Zählt die Stimme der größten Flussinsel Europas mit 50 000 Einwohnern nichts mehr?

Hakverdi:

Ich hoffe, dass das nicht so ist. Das Problem liegt am neuen Wahlkreiszuschnitt mit den Stadtteilen Billstedt, Billbrook, Rothenburgsort, Veddel, Wilhelmsburg, Kleiner Grasbrook, Steinwerder, Waltershof und Finkenwerder. Wilhelmsburg allein wäre groß genug, um zwei oder drei Abgeordnete zu stellen. Aber in Billstedt wohnen ja 70 000 Einwohner. Es wäre für Wilhelmsburg und die Hamburger Politik nicht gut, wenn kein Abgeordneter mehr die Belange der Elbinsel in der Bürgerschaft vertreten würde.

Mit welchen Eckpunkten wollen Sie in der Bürgerschaft für Wilhelmsburg punkten?

Hakverdi:

Internationale Gartenschau (igs) und Bauausstellung (IBA)müssen 2013 ein Erfolg werden. Danach stellt sich die Frage, was mit dem Park nach der igs und den noch nicht fertig gestellten Bauten der IBA wird. Und dann geht es natürlich um die Verlegung der Wilhelmsburger Reichsstraße und die geplante Hafenquerspange. Und dann geht es um die Schulen und die Kindergärten auf der Elbinsel. Wir brauchen einen kostenlosen fünfstündigen Kitaplatz für alle Kinder. Und wir brauchen mehr Lehrer, Sozialpädagogen und Berater an den Schulen.

Was steht sonst noch auf ihrer Agenda?

Hakverdi:

Wir müssen das Wilhelmsburger Einkaufszentrum (WEZ) attraktiver bekommen und auch die Einkaufssituation im Reiherstiegviertel verbessern. Es hat keinen Wert, wenn die Wilhelmsburger zum Einkaufen ins Harburger Phoenix Center fahren müssen.

CDU und GAL werden die Finanzierung der Reichsstraße noch am 9. Februar in der Bürgerschaft verabschieden. Wie werden Sie abstimmen?

Hakverdi:

Wenn die Pläne bleiben, wie sie sind, werde ich nicht zustimmen.

Sind Sie für oder gegen eine Verlegung der Reichsstraße?

Hakverdi:

Die Idee grundsätzlich ist sehr gut: Zwei Lärmquellen - Schiene und Straße - werden zusammengelegt. Aber wir sind gegen die Abfahrt Rotenhäuser Straße, weil der Verkehr dann einmal im Kreis durch Wilhelmsburg fährt. So produzieren wir Ausweichverkehre in der Peripherie. Ich bin für eine Abfahrt in Höhe der Mengestraße. Außerdem brauchen wir erst einmal ein Verkehrskonzept für den Hamburger Süden und dezidierte Pläne für den Lärmschutz in Kirchdorf. Es muss am Ende leiser werden für die Menschen in Kirchdorf und Georgswerder.

Was halten Sie von dem Verkehrsprojekt Hafenquerspange durch den Süden der Elbinsel. Ihr Genosse Olaf Scholz ist ja für dieses Autobahnprojekt...

Hakverdi:

Die Mehrheit in der SPD-Fraktion ist für die Hafenquerspange. Ich persönlich bin dagegen. Die SPD ist aber gegen die Variante durch den Wilhelmsburger Süden mit Anschluss in Stillhorn. Das wäre der Kahlschlag für den Wilhelmsburger Süden, wenn die Trasse entlang der Kornweide verliefe. Die Querspange sollte, wenn sie denn kommen sollte, dort verlaufen, wo weniger Menschen leben und deshalb über die Süderelbe geleitet und in Neuland an die A 1 angebunden werden.

Auf welchem Weg ist die Elbinsel?

Hakverdi:

In zehn Jahren werden in Wilhelmsburg mehr Menschen leben als heute und die Wohnungen werden in einem besseren Zustand sein.

Wird es zu einer Gentrifizierung, zu einer Vertreibung ärmerer Bevölkerungsschichten, aus Teilen Wilhelmsburgs kommen?

Hakverdi:

Ich hoffe nicht. Es wird vereinzelt Menschen geben, die sich das hier nicht mehr leisten können. Bei privaten Vermietern, etwa in der Fährstraße, ziehen die Mieten jetzt deutlich an. Allerdings wohnen in diesen Wohnungen Menschen, die erst in den letzten fünf Jahren nach Wilhelmsburg gezogen sind. Die richtig großen Mieterhöhungen finden vor allem bei Neuvermietungen statt.

Herr Hakverdi, Sie fahren kein Auto. Wären sie nicht ein prädestinierter Kandida für die Grünen?

Hakverdi:

Ich fahre kein Auto aus ökologischen Gründen und weil ich keine Lust habe, im Stau zu stehen. Ich stimme mit keinem Wahlprogramm hundertprozentig überein. Die Frage für mich ist, was ist die Grundphilosophie einer Partei. Der ökologische Gesichtspunkt ist wichtig, aber der reicht mir nicht. Auf der Flagge der SPD steht "Solidarität, Freiheit und Gerechtigkeit" - das ist für jemanden, der aus Wilhelmsburg kommt, besonders attraktiv.

Und warum sind sie kein Christdemokrat geworden?

Hakverdi:

Dafür bin ich zu modern. Die SPD ist die modernste Partei in Deutschland: Wir wollen die Gesellschaft verändern, damit es der Mehrheit der Bevölkerung besser geht. Ich bin erst mit 31 Jahren Mitglied der SPD geworden, nachdem Ronald Schill Innensenator dieser Stadt wurde.

Ihr Vater ist Mitte der fünfziger Jahre aus einem Dorf in Anatolien nach Hamburg gekommen, ihre Mutter stammt aus dem vorpommerschen Demmin und floh Mitte der 50er-Jahre aus der DDR. Was haben ihre Eltern ihnen mitgegeben?

Hakverdi:

Was meine Eltern verbindet, ist Glaube an den Aufstieg durch Bildung und eigene Leistung - davon habe ich profitiert.

Sie waren ein Jahr lang an einer amerikanischen High School und ein Jahr an der Indiana University. Was haben sie für ihr politisches Leben aus Amerika mitgebracht?

Hakverdi:

Dass ich den direkten Kontakt mit den Menschen suche.

Sie leben seit 41 Jahren in derselben Straße in Wilhelmsburg, haben am Gymnasium Kirchdorf/Wilhelmsburg ihr Abitur gemacht. Hatten Sie nie mal Lust, die Elbinsel zu verlassen?

Hakverdi:

Ich war zwei Jahre in den USA und habe in Kiel Jura studiert. Immer, wenn ich nach Hamburg zurückkomme, stelle ich mir die Frage, wo willst du wohnen - meine Antwort ist Wilhelmsburg. Das ist meine Heimat.

Wie weit sind ihre Pläne gediehen, dem ehemaligen Bürgermeister Hans-Ulrich Klose im Bundestag nachzufolgen?

Hakverdi:

Ich kämpfe darum, wieder in die Bürgerschaft zu kommen. Deswegen mache ich mir darüber keine Gedanken.