Im Hamburger Süden macht sich österreichische Küche angenehm bemerkbar

Geografisch betrachtet liegt Österreich südlich der Elbe. Trotzdem sind Restaurants der Alpenrepublik rar im hiesigen Flachland. Bis dato. Wir haben pünktlich zum Skiurlaub zwei Neueröffnungen und einen Klassiker besucht.

Gasthaus Alm Hüttn

Muss ein österreichisches Lokal von Österreichern betrieben werden? Nein. Vor allem dann nicht, wenn die Macher vom Fach sind. Kai Schütte (gelernter Fleischer) und Matthias Herrmann (gelernter Koch) betreiben zwei Golf-Gastronomien und brauchten winterliche Auslastung. Die haben sie jetzt im Herzen von Jesteburg. Aus dem "Gasthaus 1763" wurde die "Alm Hüttn". Eröffnung 1. November vergangenen Jahres.

Einheimische kennen das Traditionslokal noch unter "Hubsis Heustadl" mit österreichischem Wirt.

Damit richtiges Hüttn-Gefühl aufkommt, versehen die beiden ihren Neustart mit rot-weißer Gemütlichkeit - vom Karomuster der Sitzpolster bis zum Karomuster der Chefhemden, dazu viel Holz, warmes Licht und die unvermeidlichen Dekoski an der Wand. Um optisch noch authentischer zu wirken, suchen sie eine zünftige Tresenkraft, die auch in Tracht eine gute Figur macht.

Gefunden haben die Neu-Österreicher bereits ihren Küchenchef: Kai Söth, kochender Schäfer oder Schafe hütender Koch - je nach Tageszeit. Im Wald bei Ochtmannsbruch züchtet er schottische Blackface-Schafe. Frischfleisch, Schinken und Salami vermarktet er nach Saison. Natürlich profitieren die Gäste der Alm Hüttn von der Top-Ware aus erster Hand und Söths konsequenter Frische-Philosophie. "Wir haben erst nach sechs Wochen festgestellt, dass wir gar keinen Dosenöffner in der Küche haben", erzählt er.

Wenn es ein besonderes Produkt sein soll, bemüht der Züchter sein Netzwerk aus Genusshandwerkern, z.B. für den Klassiker der österreichischen Küche: Tafelspitz. Udo Schmidt aus Regesbostel züchtet Hereford-Rinder. Seine Tiere kennen keinen Stall und haben Qualität auf den Rippen. Auf dem Herd wird daraus Wiener Tafelspitz mit Salzkartoffeln, Steckrübenpüree und Meerettichsoße zum Anlockpreis von nur 12,90 Euro.

Früher hat Kai Söth mit Rainer Wolter im "La Mer" gekocht, dem ausgezeichneten Restaurant im Hamburger Hotel Prem. Jetzt produziert er in Jesteburg ambitionierte Wirtshausküche. "Regional und biologisch", wie er betont. "Mit Sachen, die man nicht an jeder Ecke kriegt." Wiener Backhendl mit Kartoffel-Gurkensalat (9,50 Euro) oder Kalbsrahmgulasch mit hausgemachten Spätzle und Gurkensalat (13,90 Euro).

Zur Beruhigung der Naschkatzen: Die Mehlspeisen-Favoriten der Skiurlauber - Kaiserschmarrn und Palatschinken (ab 4,50 Euro) - dürfen natürlich nicht fehlen. Wegen der geringen Anzahl Sitzplätze (45) ist eine Reservierung ratsam.

Kärtner Hütte

Die zweitnördlichste Skihütte der Welt (nach der Sansibar auf Sylt) steht seit fast 30 Jahren am Fuße der Harburger Berge. Der erste Wirt war Kärntner. Damals gab es hier sogar einen Skilift, der die Tagesgäste zum Schneevergnügen auf den Reiherberg transportierte. Nach zu vielen warmen Wintern sind Lift und Wirt verschwunden. Geblieben ist ein urgemütliches Lokal, das seit 20 Jahren von Elke Eckhof geleitet wird. Jetzt, wo die Winter ihrem Namen wieder alle Ehre machen, herrscht Hochbetrieb. Frau Eckhofs Gespür für Schnee besagt: Wenn's am Wochenende schneit, wird draußen auf dem Parkplatz an der B73 sofort die Skibar eröffnet und ihr Sohn Christian verkauft Grillwurst und Glühwein.

Drinnen bleibt dann meistens kein Platz frei und fast jeder Gast will Kaiserschmarrn. Der aktuelle Winterrekord liegt bei 98 Stück an einem weißen Sonntag. An einem normalen Wochentag warnt mich Servicekraft Beatrice Wendland vor: "Lassen Sie genügend Platz für unseren Kaiserschmarrn, der ist sensationell." Danach schiebt sie Holz ins Kaminfeuer und ich kalkuliere meinen Appetit. Na gut, dann nur eine heiße Frittatensuppe (3,50 Euro) und eine Portion Kaiserschmarrn mit Kompott (6,80 Euro).

Frau Wendland hat Recht. Was nach der Vorspeise aus der Küche kommt, ist sensationell lecker und sensationell reichlich. Aber wieso? Ich darf zur Genuss-Spionage an den Herd. "Unser Erfolgsrezept besteht aus viel Fett und Zucker", sagt Elke Eckhof. Sie nimmt keine Rücksicht auf Kalorien und verrät mir den Clou: "Der Zucker wird mit dem Teig in der Pfanne karamellisiert." Deswegen knuspert es nachher im Mund. Köstlich. Eine halbe Portion Kaiserschmarrn (4,80 Euro) hätte locker gereicht. Wenn's voll ist, hilft Rosemarie Stender in der Küche. Die Karte ist genauso rustikal wie die Hütten-Einrichtung. Von zahlreichen Österreich-Urlauben bringt die Chefin Ideen mit nach Hamburg-Hausbruch. Zünftig ist die "Brett'l Jause" (12,80 Euro), eine Brotzeit mit Tiroler Speck, Kaminwurz, Schmalz, Käse und Butter, dazu ein Obstler.

Auf Anfrage gart sie aber auch österreichischen Zwiebelrostbraten und frische Knödel mit Rindergeschnetzeltem, Spinat, Käsesoße und Salat (10,80 Euro). Wer auf deutsche Herzhaftigkeiten nicht verzichten kann, findet eine lokalpatriotische Extrakarte. Unser Termintipp: Kartoffelpufferabend mit Flatrate von süß bis pikant am 4. März ab 18 Uhr für 12,80 Euro inklusive Kartoffelschnaps.

Lichthof Blue Alps

Im Neu Wulmstorfer Industriegebiet ist alles anders. Hier hat in eher ungünstiger Umgebung ein erstaunlich ambitioniertes Restaurant eröffnet. Keine Hütte, wenig Holz, viel Glas und endlich mal ein richtiger Österreicher als Küchenchef.

Das Neu-Nordlicht im Lichthof heißt Peter Karg und stammt aus Innsbruck. Jetzt kocht er in der ehemaligen Europazentrale von Lada, und das kam so: Mittlerweile gehört Gert Saborowski der moderne Bürokomplex. Im Urlaub machte er Bekanntschaft mit dem Seefelder Hotelier David Seelos. Man war sich sympathisch und beschloss voriges Jahr, im leer stehenden Lichthof eine Dependance des Hotels zu eröffnen. Dafür exportierte David Seelos nicht nur seinen Küchenchef, sondern ebenfalls Oberkellner und Barchef Sven Mommert. Fortan herrscht hier nette Schmäh, statt norddeutschen Schnacks.

Wer wissen will, auf welchem Niveau gekocht wird, sollte sich von Peter Karg in die Philosophie der österreichischen Küche einführen lassen. Zum Beispiel der Klassiker: "Beim Wiener Schnitzel kann man 20 Dinge falsch machen", erzählt der Küchenchef. Wichtig: "Nicht zu dünn klopfen, im Fett schwimmend backen, keine Riesen-Lappen und zwei Stück pro Teller!" Einen Crashkurs österreichisch gibt's obendrauf: Paradeiser, Karfiol und Ribisel aus der Speisekarte sind Tomaten, Blumenkohl und Johannisbeeren.

"Die Küche meines Landes ist enorm vielfältig", betont Karg. "Von den zahlreichen Suppen über die Fleisch-Spezialitäten bis hin zu den berühmten Wiener Mehlspeisen." Nur beim Fisch schwächelte man etwas wegen der Binnenlandlage. Nach inter-nationalen Stationen in Abu Dhabi, Südafrika und Thailand spürt der kochende Globetrotter jetzt im Hamburger Speckgürtel die Herdanziehung.

Seine Authentizität beginnt beim Mittagsgeschäft. Aufgrund der Umzingelung zahlreicher Büros sind die täglich wechselnden drei Lunchangebote (ab 7 Euro) ein wichtiger Umsatzbringer, z.B. Tiroler Tafelspitzgeröstel mit Spiegelei und Krautsalat (8 Euro). Abends wird sich die Qualität schnell herumschmecken. Momentan ist nur am Freitag und Samstag ab 17.30 Uhr geöffnet.

Dann dürfen's vielleicht vorweg Pilznockerln an Wintersalaten mit Himbeerdressing (6,90 Euro) sein vor Zwiebelrostbraten mit Gemüse und Kartoffelrösti (14,30 Euro). Schauen Sie dazu in die kleine, aber fein sortierte Weinkarte mit exzellenten österreichischen Gewächsen! Bei größeren Gesellschaften ist der überdachte Innenhof die architektonische Attraktion. Jeden Sonntag finden hier unterschiedliche Themenbrunches statt, zum Beispiel am 6. Februar "Waidmannsheil" oder am 13. Februar "Von Wien bis zum Bodensee".