Nein, ich werde es nicht wieder tun. Ich werde zum nächsten Jahreswechsel keine guten Vorsätze für das neue Jahr fassen.

Wie ich darauf komme? Gestern Abend am Schreibtisch erkannte ich, dass ich einige gute Vorsätze schon im ersten Monat dieses neuen Jahres nicht erfüllt habe. Für einen kurzen Augenblick nahmen diese unerfüllten Vorsätze Gestalt an. So konnten sie mir meine schwache Willenskraft gnadenlos vor Augen führen. Es waren dreiste unhöfliche Typen, die mich unverschämt grinsend und äußerst respektlos begrüßten.

Plötzlich schlurfte zum Beispiel mein "Mehr Ordnung auf dem Schreibtisch-Vorsatz" herein. Er knallte mir schwungvoll einen flatternden Haufen kleiner Notizzettel und ausgeschnittener Zeitungsartikel auf den ohnehin schon vollen Tisch. "Frohes Schaffen, du Versager", brummte er mit angewidertem Blick auf meinen mit Papier bedeckten Schreibtisch. Schon stand der nächste Typ vor mir. Das war mein guter Vorsatz, auf Papier geschriebene "klassische" Briefe von Freunden und Bekannten ausführlich zu beantworten. Er hielt ein paar Briefe hoch, die er aus meiner Schublade genommen hatte. Mit eiskalter Verachtung in der Stimme fragte er: "Du schreibst wohl immer noch nur, wenn du dafür bezahlt wirst, was?"

Dieser Vorwurf tat richtig weh. Noch einige andere gute Vorsätze, die ich mir selbst heimlich versprochen und nicht durchgehalten habe, standen vor mir und beschwerten sich. Nicht auszudenken, wenn unsere nicht erfüllten guten Vorsätze tatsächlich Gestalt annehmen und Rechenschaft von uns fordern würden. Das gäbe wohl ein gewaltiges Gedränge in unserer näheren Umgebung. Es würde womöglich unerträglich voll werden um uns herum.