Laichzeit in der Luhe. Das “Abstreifen“ der Fische erfordert viel Fingerspitzengefühl

Luhdorf. Man denkt an Kanada, Norwegen oder Sibirien, sieht die Lachse die Flüsse stromaufwärts in ihre Laichgebiete ziehen und über Stromschnellen springen - wobei Bären den einen oder anderen Fisch fangen und verspeisen. Abgesehen von den Bären spielen sich ähnliche Szenen auch an unseren Flüssen ab. Die Meerforelle, eine Lachsart, von bis zu einem Meter Länge und 20 Kilogramm Gewicht, hat jetzt Laichzeit. Und auch in der Luhe, ihrem eigenen Geburtsgewässer, sind einige Prachtexemplare zur Fortpflanzung aus Atlantik und Nordsee wieder angekommen. Ihre durch Gewässerverschmutzung von Industrie und Landwirtschaft während des vergangenen Jahrhunderts stark geschrumpften Bestände erholen sich langsam.

Und daran haben die Männer der beiden Fischereisportvereine FSV Hoopte-Winsen sowie SFV Garstedt erheblichen Anteil. Sie sorgen bereits seit 1976 für "künstliche Befruchtung", streifen den weiblichen Tieren die Eier und den männlichen den Samen ab, ziehen die "Brut" unter Kontrolle auf und sorgen so dafür, dass viel mehr Nachwuchs eine Überlebenschance hat als es in natürlicher Umgebung der Fall wäre. Da kann die Brut beispielsweise durch Pilzbefall komplett vernichtet werden. Ziel ist es, wieder eine normale Bestandsdichte zu erreichen, bei der sich die Bestände ohne menschliche Hilfe wieder selbst generieren.

Weil sich die Meerforellen mit ihrer Laichzeit nicht an die Feiertage der Menschen halten, mussten die Fortpflanzungsexperten der beiden Fischereisportvereine am Silvestertag an die Luhe bei Luhdorf, wo sie demnächst laichreife Tiere bereits in einem ihrer Fischteiche gesammelt hatten.

Etwa 40 weibliche Fische und 30 Männchen schwimmen darin. Volker Buchtmann - er arbeitet hauptberuflich als Fischwirt und hat die meiste Erfahrung - hat die ersten laichreifen Meerforellen abgestreift. "Dazu gehört sehr viel Fingerspitzengefühl", sagt er, "die Tiere sollen dabei keine Verletzungen erleiden und nach dem Ablaichen wieder gesund ins Meer zurück schwimmen können." Das einzig Unangenehme ist seinen Worten nach die Kälte. Von Zeit zu Zeit muss er seine Hände in warmes Wasser tauchen, um wieder Gefühl in die Finger zu bekommen. Gut 20 000 Eier streifte er in die Schüssel. Und für die Befruchtung kommt der Samen von zwei Männchen hinzu. Zur Sicherheit, falls der Samen eines Männchens nicht fruchtbar sein sollte. Buchtmann: "Das sind alles Erfahrungen. Und es ist außer handwerklichem Geschick auch sehr viel Wissen notwendig, damit die Aufzucht gelingt. Aber eine Garantie gibt es nicht." Und dass der Fischwirt bei den weiblichen Tieren von "Ziegen" und bei den Männchen von "Böcken" spricht, ist vermutlich eine besondere Sprachform des Anglerlateins.

Erst in etwa fünf Monaten werden die Sportfischer wissen, ob es mit der Aufzucht wirklich geklappt hat. Rolf Peter Bera, Salmonidenwart beim Fischereisportverband Hoopte-Winsen, kümmert sich nun in der vereinseigenen Aufzuchtanlage in Sahrendorf, der Wiege, um die Brut und darum, dass die befruchteten Eier immer mit sauberem, sauerstoffreichen Wasser umspült werden und die Temperatur möglichst konstant bei sechs Grad liegt. Bachflohkrebse sorgen zusätzlich dafür, dass Verunreinigungen zwischen den Eiern weggefressen werden. Voraussichtlich in vier bis sechs Wochen ist das sogenannte Augenpunktstadium der Eier erreicht, gefolgt vom Larvenstadium. Im Mai werden die ersten als Fische erkennbaren Brütlinge in den heimischen Fließgewässern wie Luhe und Ilmenau ausgesetzt werden.

Ab Herbst folgen die in der Geborgenheit der Aufzuchtanlage weiter herangewachsenen Setzlinge. "Wir wollen das Risiko, dass die Tiere in der Natur keine Überlebenschance haben, möglichst gering halten", sagt Vereinssprecher Jürgen Meyer. Nur etwa zwei Prozent der Meerforellen kommen zum Laichen zurück.