Das Kunstjahr 2011 wird in Harburg mit frischem Auftakt begonnen

Harburg. Er mag schwarz. Tiefschwarz um genau zu sein. Und sie? Sie liebt diese Farbe auch. Vielleicht werden Lily Wittenburg und Arne Klaskala deswegen zum kongenialen Team verschmelzen oder sich eben auch produktiv aneinander reiben, wenn die beiden jungen Künstler antreten, um im Kunstverein Harburger Bahnhof das "Gefangene Zimmer drei" künstlerisch unter Spannung zu versetzen. Von den beiden Kuratorinnen Britta Peters und Marie Luise Birkholz erdacht, soll es als massive Setzung eines "Raum-im-Raum-Settings" einerseits das Verschachtelungsprinzip weiter fortsetzen - sie begreifen den Kunstverein als kleines Parallel-Universum im geschäftigen Bahnhof, zum anderen wollen sie auch etwas von der Schwere des großen Wartesaales nehmen, in dem der Kunstverein residiert und mit dem sich die Künstler ansonsten abmühen müssen.

Bildwelten werden auch schon mal auf die Probe gestellt

Klaskala (1968), der gerne raumbezogen arbeitet und Räume schon mal surreal und düster inszeniert, dürfte diese Setzung entgegenkommen. Aufregend dürften dazu die filigranen schwarz-weiß Zeichnungen sein, für die Liliy Wittenburg (1984)) steht und die sich auf irritierende Weise zwischen dem poetisch Imaginären und einer realen nüchternen räumlichen Möglichkeit bewegen. Und damit nicht genug: Wittenburg liebt es, in ihren Installationen die Inszenierung ihrer Bildwelten mit einer extravaganten Stofflichkeit auch mal auf die Probe zu stellen - etwa mit Materialien, die im Flugzeugbau verwendet werden und die Behauptungen ihrer Zeichnungen so im realen Raum nachzustellen (Eröffnung 27. Januar ab 19 Uhr im Kunstverein).

Ein paar Kilometer Luftlinie schickt man im Buchholzer Kunstverein ebenfalls eine junge Dame mit schrägen Multimedia- und Zeichenarbeiten ins Rennen, um das Kunstjahr ab 23. Januar auch in der Kirchenstraße zu eröffnen, genauer gesagt um im eigenen Jubiläumsjahr nicht die Bodenhaftung zu verlieren oder vielleicht doch ein ganz klein wenig verspielt-experimentell abzuheben: Im Januar zeigt Katrin Sahner (1970) unter dem Motto "Nicht den Boden berühren" multimediale Installationen und Zeichenperformances, in denen sie und ihre Musen nicht selten gewisse Grenzerfahrungen machen, die die Wahrnehmung des Alltags außer Kraft setzen und durch subtile Wahrnehmungsverschiebungen irritieren.

So drehte Sahner bereits ein Video, indem sie sich von einem Profizeichner abmalen ließ - das Pikante dabei war jedoch: die Künstlerin stand bei dieser Aktion splitternackt auf einer Straße und rief die Bremer Polizei sogleich auf den Plan. Ansonsten spielt Sahner mit den überkommenen Rollen von Künstlergenie und seiner inspirierenden Muse. Wer ist wer? Das mussten sich auch die stocksteifen Wachsoldaten in Stockholm, Prag oder Kopenhagen fragen, die Sahner kurzerhand zu Modellen im öffentlichen Raum erwählte und während ihres Dienstes abmalte. Ein Spiel mit den Modi von Präsentation und Repräsentation. Die Repräsentanten der Staatsmacht wurden im Augenblick des Zeichnens zum Modell.

Auch im August verblüfft ein Blick auf den Ausstellungskalender in Buchholz, denn der renommierte amerikanische Künstler Brad Downey wird vorbeischauen, berüchtigt für seine radikalen Straßen-Installationen oder die Besprühung der KadeWe-Schaufenster mit grüner Farbe im Rahmen einer Werbeaktion der Firma Lacoste, die sich das Ergebnis wohl selbst etwas gesitteter erdacht hatte. Also Buchholzer: Sprayflaschen verstecken!

Für Aufregung und Verzückung, aber auch für einige Fragezeichen sorgte im ausklingenden Kunstjahr die Sammlung Harald Falckenbergs, beheimatet in den Harburger Phoenixhallen: zur Außenstelle der Deichtorhallen, unter der kuratorischen Leitung von Deichtorhallen-Intendant Dr. Dirk Luckow ist die Sammlung per Bürgerschaftsbeschluss avanciert.

Heino Jäger ist das Genie der bitterbösen Imitation

Was das genau für den Ausstellungsbetrieb in den Phoenix-Hallen bedeutet und ob Sonderausstellungen aus den Deichtorhallen (wie "Power-Up - Female Pop Art") auch 2011 in Harburg zu sehen sein werden, weiß allerdings noch keiner so recht. Es ist eine große Möglichkeit und sorgt zugleich noch für viel Unsicherheit. Doch für den Februar gibt es zumindest Sicherheit: Ausgehend von einem Frühwerk des französischen Romanciers Alexandre Dumas, dem satirischen Roman "Captain Pamphile", in dem der Seeräuber Pamphile auf ökonomischem Steifzug auf den Weltmeeren unterwegs ist, interpretieren rund 30 Maler aus aller Welt Schlüsselszenen dieses historischen Romans. (ab 18. Februar in den Phoenix-Hallen).

Wer sich lieber einer Harburgensie widmen möchte, der könnte im Januar in die neue CD von Heino Jaeger hineinhören, dem Genie der bitterbösen und doch so trefflichen Imitation von Stimmungslagen und diversen Fachjargons: "Sie brauchen gar nicht so zu gucken" heißt das Opus mit Werken aus dem Nachlass und ist randvoll mit neuen irrsinnigen und kleinbürgerlichen Trouvaillen aus dem Universum des in der psychiatrischen Anstalt endenden Heino Jaegers.

Herumgesprochen hat sich auch, dass Harburgs Kulturpreisträger des ausklingenden Jahres, nämlich Heinz Strunk, ein neues verzweifelt-lustiges und böses Buch auf den Markt geworfen hat -"Heinz Strunk in Afrika" ist sein Name - vielleicht ist auch das einen Blick und Lektüre wert.

Eine weitere Grande Dame aus Hamburgs Süden, die Konzeptkünstlerin Hanne Darboven hätte im Jahr 2011 ihren 70. Geburtstag gefeiert und wird im selbigen natürlich ausgiebig in Harburg geehrt: Nirgendwo geringer als in der neu geadelten Sammlung Falckenberg soll ein eigener Hanne Darboven-Raum plus Retrospektive entstehen, wie Falckenberg in einem Abendblatt-Interview im September 2010 verriet - und als neuer Satellit der Deichtorhallen könnte das auch ein paar Besucher anziehen. Auch an der TU Hamburg Harburg, die ein imposantes Kunstwerk der Konzeptkünstlerin, die auch in New York reüssierte, ihr eigen nennen kann, wird man sich im Jahr 2011 der richtigen Präsentation des Darboven-Kunstschatzes weiter widmen.

In den Außenbezirken warten zudem feine Kunstorte wie die Galerie Oel-Früh oder die Galerie Tinderbox, wo man das Jahr mit "Wash, then dance" ab 25. Januar sauber einfädeln wird. Im Landkreis dürfte der Bossard nach der Winterruhe weiter von sich reden machen, wenn seine neue Leiterin Dr. Gudula Mayr ihn weiterhin mit so geschickter Hand führen wird, im "Schauraum" startet das Kunstjahr mit der grandiosen Illustratorin Susanne Mewing.