Unternehmer Rolf Lengemann lässt das Gebäude aus dem Jahr 1826 im Harburger Binnenhafen restaurieren

Harburg. "Es ist erstaunlich wenig kaputt gegangen in all den Jahren", sagt Bodo Vogel. Sein Blick schweift hinauf in das Gebälk und entlang der dicken Eichenbalken, die das Fachwerk bilden. Es ist kalt in dem alten Kaufhausspeicher im Harburger Binnenhafen. Der Wind zerrt an der weißen Plastikplane, die ein drei Mann starkes Team drei Etagen hoch bis unter den Dachstuhl bei seiner handwerklichen Arbeit an der Außenfassade vor Nässe schützen soll. Es zieht auch im Innern des Speichers, denn teilweise fehlen die Ziegel und auch Teile der sogenannten Ständer, die ausgetauscht oder wieder hergestellt werden müssen.

Feilen, hämmern, sägen, ausbessern, ersetzen und einbauen - das historische Gebäude so zu restaurieren, dass sein Charakter und seine Urtümlichkeit erhalten bleibt, ist die Aufgabe des Restauratoren-Trios aus Jesteburg. Dass dieses Zeugnis für die Arbeit im früheren Harburg fernab von Automatisierung und Hightech im Binnenhafen noch für Generationen sichtbar und erlebbar sein wird, dafür setzt sich Unternehmer Rolf Lengemann ein.

Der imposante Speicher liegt für Passanten nicht gleich sichtbar hinter seiner ebenfalls restaurierten und Denkmal geschützten "Villa Lengemann" an der Blohmstraße 22. Doch Rolf Lengemann versteckt den altertümlichen Schatz nicht, öffnet seine Türen zum Beispiel am Tag des "Offenen Denkmals" für die Besucher und lässt die Teilnehmer von geführten Rundgängen einen tiefen Einblick hinter das alte Gemäuer des Denkmals gewähren. 2003 erbte er die mittlerweile restaurierte "Villa Lengemann", den Kaufhausspeicher und das alte Kontorhaus.

Der Speicher zwischen Blohmstraße und Kaufhauskanal ist aus dem Jahre 1826. Hier wurde er viele Jahrzehnte von einer Lebensmittelgroßhandlung und Sirupkocherei als Speicher genutzt. Ihm angeschlossen ist das Kontorhaus des damaligen "Herrn Commercienrats Kroos". Besonders die vielen Details lässt Restaurator Bodo Vogel als Spuren aus der Vergangenheit und quasi Erinnerungen an die frühere Baukultur wieder aufleben. "Wir versuchen, soviel zu erhalten, wie es nur möglich ist", sagt er, "nach traditionellem Handwerk. Genauso, wie Mauern und Wände auch früher entstanden sind. Das Wichtigste jedoch ist, dass wir die Standfestigkeit erhalten."

Mit Stuck und Malereien hat Bodo Vogels Team hier nicht zu tun. Holz und Steine bestimmen das Bild der zu verrichtenden Arbeiten. Es gibt große Tore. Fenster mit Blick auf den Kaufhauskanal und Fenster, die mit geschmiedeten Eisengittern unverändert seit 1826 nichts außer Frischluft durchlassen. Ein Aufzugsloch mit Lastenheber und seinen typischen Rollen bis in die obere Etage weist noch deutlicher auf die frühere Nutzung als Speicher hin.

"Wasser und Feuchtigkeit sind ein großer Feind für das Fachwerkhaus", sagt Bodo Vogel. Dagegen hat sich besonders eine Wand des historischen Gebäudes vergebens gewehrt.

30 Jahre lang habe die ehemalige Öl produzierende Firma des benachbarten Hauses die Dämpfe direkt an die Fachwerkwand geleitet und dabei das Holz zerstört. "Das kann doch nicht wahr sein", dachte der Restaurator nach dieser Entdeckung, "dies ist wirklich ein Sonderfall."

Bis voraussichtlich Ostern nächsten Jahres werden Bodo Vogel und sein Team noch im alten Kaufhausspeicher mit der Restauration zu tun haben. Anschließend beginnt der Innenausbau. "Hier eine Musikschule ansässig zu machen und einen Konzertsaal für 120 Personen einzurichten - das wünsche ich mir für den alten Speicher", sagt Rolf Lengemann, der das Gebäude mit Unterstützung von Bodo Vogel weitere 200 Jahre nutzbar machen möchte. Während die Pläne reifen, liest der Restaurator während seiner Arbeit in dem alten Bau "wie in einem großen Buch", sagt er. Ein neues Kapitel für den alten Kaufhausspeicher wird aufgeschlagen.