Reizvoll ist es ja, das ganze Rumgezettele auf dem Schreibtisch endlich einmal los zu werden.

Seit es Scanner gibt, könnte man die losen Notizen, Rechnungskopien, die ausgerissenen Rezepte und Jahreshoroskope papierfrei auf seinen Rechner zaubern. Dauert etwas, aber der Vorteil liegt auf der Hand, äh, dem Tisch: nämlich nichts mehr.

Kein jahrelanger Stapel der Dinge, die man "irgendwann" noch mal durchsehen möchte, keine Lose-Blatt-Sammlung, die ohne eigenes Zutun zu wachsen scheint. Alles lagert im Computer, sorgfältig abgelegt in exakt beschrifteten Dateien, so dass man auch in einer fernen Zukunft seine frühen Liebesbriefe schnell zur Hand hat. Sind gespeichert unter dem Stichwort "16 Jahre" oder unter "Andy, erster Kuss", oder "Liebesfreud, Liebesleid".

Aber wollen wir das?

Wollen wir der Zettelwirtschaft wirklich ade sagen? Das papierfreie Leben klingt so schön schlank, sinnvoll, sauber irgendwie. Erschreckend die Vorstellung, keine schnelle Notiz vom vorigen Frühjahr mehr in der versteckten Lasche der Tasche zu finden. Rein zufällig, Jahre danach. Wann war das, was dort steht?

Welcher Anlass erforderte 200 g Raclette, frischen Elsässer, Himbeersorbet? Das papierfreie Leben klingt nach eingescannten Kinderzeichnungen, denen jeder Fettfleck abhanden gekommen ist, nach einer digitalen Galerie von Prüfungs-Spickzetteln, denen man im Original die Anspannung vorm Entdeckt-werden noch angesehen hat. Im Rechner ist alles privat Geschriebene und Gezeichnete befreit von seiner originären Besonderheit. Ein hoher Preis für eine aalglatte Arbeitsplatte. Und nichts für mich.

Ausnahmen bestätigen die Regel: Lohnsteuerkarten und Behördendinge gehören digital. Der Rest bleibt Zettelwirtschaft.