Auf Finkenwerder hoffen die Bauarbeiter, dass der Winter nicht lange dauert

Finkenwerder/Francop. Mit Tempo 15 fährt der allradgetriebene VW-Transporter über die Baustraße. Laster kommen uns entgegen. Immer wieder müssen wir rechts halten, weil die Baustraße nur drei Meter breit ist. "Das enge Baufeld von insgesamt elf Metern ist eine der größten Herausforderungen für dieses Projekt", sagt der Bauingenieur Reinhard Stadie, 59, der den Transporter lenkt. "Die Lkw müssen hier sehr gut manövrieren und oft stehen bleiben. Insgesamt werden wir 180 000 Kubikmeter Sand verbauen."

Wir sind unterwegs auf der Trasse der künftigen Ortsumgehung Finkenwerder. Mit einem Volumen von 42 Millionen Euro ist es das zurzeit größte Straßenbauprojekt auf Hamburger Gebiet. 12 000 Autos sollen hier künftig täglich die Halbinsel Finkenwerder südlich umfahren. Zurzeit durchqueren rund 20 000 Fahrzeuge täglich den Finkenwerder Ortskern - vor allem das Airbuswerk zieht viel Verkehr an.

Wir wollen wissen: Wie ist der Stand der Bauarbeiten für die 5,5 Kilometer lange Ortsumgehung Finkenwerder? Und werden die Arbeiten pünktlich bis zum August 2012 fertig werden?

Auf die zweite Frage hat Reinhard Stadie sofort eine Antwort parat. "Wir sind sehr zuversichtlich, dass wir den Zeitplan einhalten und das schaffen werden. Allerdings haben wir noch zwei Winter vor uns. Der letzte strenge Winter hat uns einen Baustillstand von zwei Monaten beschert. Wir hoffen, dass wir in diesem Jahr nicht noch einen so langen Winter bekommen."

Reinhard Stadie ist Projektleiter der ReGe Hamburg, der Projekt-Realisierungsgesellschaft mit Sitz am Veritaskai 2 im Harburger Binnenhafen. Die Ortsumgehung Finkenwerder ist sein zweites Projekt für die ReGe, die ja mit dem Bau der Elbphilharmonie in der HafenCity mächtig Probleme hat. "Ich war vorher verantwortlich für die Zuschüttung des Mühlenberger Loches", sagt der Bauingenieur und spielt auf die Werkserweiterung von Airbus für den Bau des Flugzeugs A380 an.

Wir sind am Aue-Hauptdeich gestartet. Hier wird die Ortsumgehung im Osten abzweigen. Nach 500 Metern erreichen wir das "Brückenbauwerk 1" - hier entsteht eine Stahlverbundbrücke mit einer Spannweite von 100 Metern, die bald die Alte Süderelbe überqueren wird.

Das Stahlmittelstück ist bereits montiert worden. Es ist 50 Meter lang, vier Meter breit und 1,80 Meter hoch und wiegt 80 Tonnen. Wegen seiner gekrümmten Form musste das schwere Stahlteil mit einem Kran auf zwei Schwimmpontons in der Alten Süderelbe gehoben werden - dann wurden die Pontons zur Einbaustelle transportiert, und das Stahlteil wurde auf zwei Betonbrückenpfeilern montiert. In den nächsten Tagen soll das Brückenbauwerk geschlossen werden. Danach wird dann die Fahrbahnplatte betoniert - wenn das Wetter es zulässt.

Wir fahren auf der Baustraße an der Schlickdeponie Francop vorbei - sie wurde durch eine 380 Meter lange Bohrpfahlwand gesichert und liegt elf Meter oberhalb der künftigen Ortsumgehung. Im Becken der Deponie lagert Elbschlick.

Südlich der Trasse liegt das Obstanbaugebiet der Francoper Bauern - ihre prächtigen Häuser an der Hohenwischer Straße und an der Straße Vierzigstücken grüßen aus rund 400 bis 600 Meter Entfernung. Nach mühevollen Auseinandersetzungen hatte es eine Einigung zwischen der Realisierungsgesellschaft mit rund 40 Obstbauern gegeben, die in dem mit 42 Millionen Euro ausgestatteten Treuhandfonds Süderelbe mündete - am 4. August 2009 begannen die Bauarbeiten.

Sehr aufwendig ist die Verlegung des kompletten Hakengrabens um sechs Meter in Richtung Süden. "Aber genau diese Meter brauchen wir für unsere Ortsumgehung", sagt Reinhard Stadie. Der alte Graben ist bereits zugeschüttet worden. Jetzt wird der Straßendamm in mehreren Schritten erhöht, "weil wir einen sehr, sehr weichen Marschboden haben."

Vor der großen Sturmflut von 1962 war dieses Marschland noch den Gezeiten ausgesetzt - nach der Katastrophe wurde die Alte Süderelbe eingedeicht und die Obstbauern konnten ihr Areal in Richtung Norden ausweiten. Jetzt haben die Obstbauern durch den Bau der Umgehung 7,5 Hektar Anbaufläche verloren.

"Der Untergrund ist so wenig standsicher, dass wir bis zu 13 Meter tiefe Bohrpfähle in den Untergrund bringen", sagt Reinhard Stadie. "Der Marschboden ist neben der geringen Trassenbreite die größte Herausforderung" - die Ortsumgehung soll zweispurig ohne Fuß- und Radweg zwischen dem Obstanbaugebiet und dem Naturschutzgebiet Süderelbe verlaufen. Ampeln wird man an der Umgehung nicht finden.

Auch ein Teil des Francoper Schleusenfleets, das in den Hakengraben mündet, ist zugeschüttet worden. Damit Francop aber nicht unter Wasser steht, haben Arbeiter Pumpen und Rohre verlegt. "Im Frühjahr soll der Fleet wieder geöffnet werden, damit die Obstbauern genug Wasser für die Frostschutzberegnung haben", sagt Reinhard Stadie.

Bei Kilometer 3,5 entsteht das zweitgrößte "Brückenbauwerk 2" mit einer Spannweite von 80 Metern - hier wird der neue Hakengraben überquert werden. Weiter westlich entstehen noch vier weitere Brücken mit Spannweiten zwischen zehn und 25 Metern. "Diese Brücken wurden aus Naturschutzgründen gebaut, damit die Tiere an den Gräben entlanglaufen können", sagt Reinhard Stadie. "Im Bereich der Deponie gibt es Minitunnel für Kleintiere und Zäune entlang der Trasse."

Am Neßdeich, unweit der Airbus-Landebahn, wird die Ortsumgehung dann nach 5,5 Kilometer an die vorhandene Straße angeschlossen. Hier sollen die Autofahrer im August 2012 auf die vorhandene Straße abbiegen. Die Ampeln stehen schon.