Zum heutigen Welt-Aids-Tag besuchen 700 Schüler das Gesundheitsamt in Winsen

Winsen. Wenn Karina Stelter, 40, in die Schule geht, hat sie einen Koffer mit Kondomen, Pillen-Schachtelen, Dildos und Infobroschüren dabei. Sie spricht über Aids - über Ansteckungsgefahren, wie man sich schützen kann, wo Betroffene Hilfe finden und wie es ist, mit dieser noch immer unheilbaren Immunschwächekrankheit zu leben. Die Sozialmedizinische Assistentin leitet die Aids-Beratung im Gesundheitsamt des Landkreises Harburg.

Nach Schätzungen des Robert Koch Instituts werden Ende 2010 70 000 Menschen mit HIV/Aids in Deutschland leben. Für Niedersachsen gehen die Schätzungen von 4 700 Infizierten aus. Die Zahl der gemeldeten Neuinfektionen betrug in Niedersachsen in diesem Jahr 128 Fälle (bis zum 31. August, Quelle: Niedersächsisches Gesundheitsamt). Dabei verzeichnet Niedersachsen bei einem Bevölkerungsanteil von etwa zehn Prozent der Gesamtbevölkerung nur etwa sechs Prozent der HIV-Neuinfektionen bzw. HIV/Aids-Fälle.

Der Grund: Großstädte wie Berlin, Hamburg oder Köln sind überproportional betroffen. So betrug der Anteil der Neudiagnosen aus der Region Hannover auch etwa 36 Prozent der gesamten niedersächsischen Fälle. 16 Prozent verteilten sich auf weitere größere Städte wie Oldenburg oder Osnabrück und etwa 48 Prozent der Meldungen auf ländliche Regionen.

Wie viele HIV-Infizierte im Landkreis Harburg leben, kann Karina Stelter nicht sagen. "Viele Betroffene lassen sich in Hamburg testen", so die Landkreismitarbeiterin. "Die Ärzte und Behörden melden die Fälle dann dem Robert Koch Institut und nicht den Landkreisen, in denen die Patienten wohnen." So sieht es die Bestimmung zur Meldepflicht vor.

Die fünf Ärzte des Gesundheitsamts in Winsen führten 2008 und 2009 etwa 80 Aids-Tests durch - anonym und kostenfrei. 2010 waren es bisher rund 60. Die Meisten ließen sich testen, weil sie einen neuen Partner haben oder nach einem One-Night-Stand Angst vor einer Infektion, so Karin Stelter. "Leider vergessen viele, dass die Inkubationszeit bei Aids zwölf Wochen dauert." Sie rate deshalb zu einem zweiten, späteren Test, denn nur nach Ablauf dieser Zeit könne man ganz sicher sein. "Fällt ein Test positiv aus, leitet die Aids-Beraterin den Betroffenen an spezialisierte Ärzte und an sogenannte Zielgruppenvereine, wie zum Beispiel den Lüneburger Verein PositHIV, weiter. Diese Gruppe von Betroffenen, bietet jeden ersten und dritten Donnerstag Informationen und Beratungen im Winsener Kreishaus an, von 16.30 bis 18.30 Uhr.

In den letzten Jahren sei aber keiner der im Landkreis Harburg durchgeführten Tests positiv ausgefallen. "Was das betrifft, leben wir hier in einer heilen Welt", so Karina Stelter. "Zu den meist betroffenen Risiko-Gruppen gehören Homosexuelle und Konsumenten intravenöser Drogen - und deren Szene ist im Landkreis Harburg klein."

Trotzdem: Aufklärung sei nach wie vor immens wichtig, so Karina Stelter. Das zeige die rückläufige Nachfrage nach Aids-Tests sowie die Statistik. So nehmen Geschlechtskrankheiten wie Aids wieder zu. Und Jugendliche seien heute wie vor zehn oder zwanzig Jahren verunsichert und nicht ausreichend aufgeklärt. "Kann ich mich anstecken, wenn ich aus demselben Glas wie ein Infizierter trinke oder ihm die Hand gebe?" Das sind Fragen, die Karina Stelter noch immer gestellt werden.

Am heutigen Welt-Aids-Tag kommen rund 700 Schüler aus dem gesamten Landkreis zu ihr ins Kreishaus, durchlaufen einen Aids-Parcours, der ihnen die wichtigsten Infos zum Thema vermitteln soll. Anschließend werden im Kinocenter Winsen Filme zum Thema gezeigt. Karina Stelter: "Nur wer bescheid weiß, kann sich schützen."