Kreisschulausschuss vermisst Zahlen und kritisiert die Weitergabe von Daten der Jugendlichen

Winsen. Die Mittel für das Projekt "Berufsnavigator" für Schüler sollen nur unter Vorbehalt im Haushalt 2011 des Landkreises Harburg eingestellt werden. Das ist die Empfehlung des Kreisschulausschusses. Jürgen Hort, Geschäftsführer der Berufsnavigator GmbH in Hamburg, konnte die Ausschussmitglieder in der jüngsten Sitzung nur mäßig vom Erfolg seiner Dienstleistung, die 100 000 Euro im Jahr kostet, überzeugen. Die Kosten teilen sich der Kreis und die Volksbank Nordheide. Die Agentur für Arbeit gibt ebenfalls 20 000 Euro dazu. Jeder Schüler, der an diesem Test teilnimmt, zahlt zehn Euro. Bei dem Test werden unter anderem die beruflichen Interessen und die Neigungen der Jugendlichen abgefragt, so dass am Ende eine Empfehlung für eine Berufsrichtung oder ein Studienfach herauskommt. Der Landkreis Harburg muss jedes Jahr darüber beraten, ob das Projekt fortgeführt werden soll.

Vor drei Jahren startete Jürgen Hort den Berufsnavigator im Landkreis Harburg. Angeschoben wurde das Projekt von der Volksbank Nordheide. In der Schulausschusssitzung sorgte Horts Erfolgspräsentation bei einigen Ausschussmitgliedern für Befremden. Eine Studentin der Technischen Universität Hamburg-Harburg aus Buchholz und einige Gymnasiasten schilderten dem Ausschuss ihre ausschließlich positiven Erfahrungen mit dem Berufsnavigator. Tamara Boos-Wagner (SPD): "Das Auftreten der jungen Leute hier kam mir wie ein amerikanischer Werbespot vor. Von der Verkaufe her war das ein bisschen viel. Der Berufsnavigator kann kein Allheilmittel dafür sein, junge Menschen auf die richtige berufliche Laufbahn zu bringen."

Auch ihr Fraktionskollege Dieter Bender fand "das Ganze dann doch ein bisschen dick aufgetragen. Aber wir hätten viel lieber Zahlen bekommen, die den Erfolg und den Sinn des Projektes belegen". Und auch innerhalb der CDU wurde Kritik laut an der Art und Weise, wie Hort für seinen Berufsnavigator im Ausschuss zu werben versuchte. Britt Witte (CDU): "Auch uns wäre es wichtig gewesen, mal Zahlen vorgelegt zu bekommen."

Besonders deutlich wurde Uwe Wehmhörner, Lehrer an einer Berufsbildenden Schule und beratendes Mitglied im Ausschuss. "Es ist unerträglich, dass hier Jugendliche für Werbezwecke missbraucht werden. Ich halte ganz und gar nichts von diesem Berufsnavigator. Das Geld, das der Steuerzahler hier für eine Dienstleistung ausgibt, wäre weitaus besser in vernünftige Berufsberatung an den Schulen investiert. Den Gymnasiasten, die wir hier gehört haben, wird im Elternhaus doch in der Regel die Hilfe gegeben, die sie in ihrem Findungsprozess brauchen."

Die jungen Menschen, um die es doch eigentlich gehe, würden sich vielleicht am Berufsnavigator beteiligen, aber am Ende müssten sie doch den Ausbildungsplatz nehmen, der für sie übrig bleibe. Der Berufsnavigator ändere überhaupt nichts an der Tatsache, dass es einfach immer noch zu wenig Lehrstellen im Landkreis gebe, so Wehmhörner.

SPD-Frau Boos-Wagner kritisierte die Weitergabe von Daten der Schüler an die Agentur für Arbeit und die Volksbank. "Es ist doch absolut klar, was die Volksbank mit den Daten macht. Sie will, wie es jede andere Bank auch tun würde, Kunden werben", so Boos-Wagner, die selbst Bankerin ist. Die Eltern müssen auf einem Bogen ihr Einverständnis erklären, dass der Schüler am Berufsnavigator teilnehmen kann. Darüber hinaus können sie mit ihrer Unterschrift erlauben, dass die Daten ihres Kindes an die Agentur für Arbeit, die die Daten für die Berufsberatung nutzen kann, weiter gibt. Bei Einverständnis der Eltern bekommt auch die Volksbank Namen, Adresse und Telefonnummer des Jugendlichen.

Cord Hasselmann, Vorstandsmitglied der Volksbank Nordheide dazu: "Wenn wir die Daten bekommen, nehmen wir Kontakt zu dem Jugendlichen auf und laden ihn ein, in eine Volksbank-Filiale zu kommen, wo ein sogenanntes Starter-Paket für ihn bereit liegt." In diesem Starter-Paket sind unter anderem eine CD mit Informationen zur Berufswahl, ein Gutschein für fünf Zeugniskopien für die Bewerbungsmappe und eben auch eine Informationsbroschüre über die Volksbank.

Hasselmann: "Jeder Jugendliche, der an den Schalter kommt, bekommt dieses Paket ohne Beratungsgespräch. Aber natürlich bleibt es auch jedem Jugendlichen frei, dann bei uns ein Konto zu eröffnen. Viel wichtiger für mich wäre es, wenn sich ein Schulabgänger auch für eine Ausbildung bei uns interessieren würde, denn wir haben mehr Plätze als Interessenten. Aber in dem Starter-Paket werben wir nicht dafür."

1400 Schülern haben in einem Jahr am Berufsnavigator teilgenommen. Bei 500 Schülern erklärten sich die Eltern zur Datenfreigabe bereit. Jürgen Hort selbst weist alle Vorwürfe gegen seinen Berufsnavigator und seine Präsentation in der Schulausschusssitzung entschieden von sich. Hort: "Wir haben einen Datenschützer, und alle unsere Vordrucke sind datenschutzrechtlich einwandfrei. Es ist außerdem nicht richtig, dass wir keine Zahlen vorgelegt haben. Wir haben wissenschaftliche Gutachten und Studien präsentiert. Wir haben eine Feedback-Studie an die Politiker verteilt. Daran haben 1700 Schüler teilgenommen. Das Ergebnis war positiv. Diese Studie wurde am Ende der Sitzung an die Ausschussmitglieder verteilt. Damit ist meiner Ansicht nach alles gesagt und getan. Was wir noch vorlegen werden, ist eine Langzeitstudie über den Berufsnavigator, die die Uni Hamburg gerade durchführt, mit deren Fertigstellung wir im Frühjahr rechnen. Damit dürfte sich der Sperrvermerk dann wohl erledigt haben."

Im Oktober seien 17 Schulleiter im Landkreis befragt worden, sie alle hätten sich positiv geäußert und wollten, dass das Projekt weiter laufe. Auch die Zahlen der laufenden Statistiken lege seine GmbH permanent dem Kreis vor. Über den Vorwurf, er habe mit den Schülern Werbung für seine Dienstleistung in der Sitzung gemacht, ist Hort verärgert: "Es ist legal für ein Unternehmen, mal seine Kunden zu Wort kommen zu lassen. So haben die Ausschussmitglieder ein originales Feedback bekommen. Das hat mit einer Vorführung von Jugendlichen nichts zu tun."