Ein Sprachheilschüler gewinnt den Wettbewerb “Die Insel liest“

Wilhelmsburg. Sie haben viele Stunden geübt. Und sie wollen ihr Bestes geben. Mit etwas Lampenfieber treten an diesem Donnerstagvormittag acht Mädchen und ein Junge im Bürgerhaus Wilhelmsburg vors Mikrofon. 200 Kinder und Lehrer empfangen sie mit einem kräftigen Applaus. Dann lesen die mutigen Mädchen und der Junge laut vor, jeder aus seinem Lieblingsbuch. Die Viertklässler sind die besten Vorleser ihrer Schule - an diesem siebten Wilhelmsburger Lesetag geht es darum: Wer ist der beste Vorleser auf der Elbinsel?

Victoria, Patrick & Co. lesen an diesem Vormittag mit ganzem Körpereinsatz, sie sprechen mal laut, mal leise, mal schneller, mal langsamer, und sie schaffen es, dass es fast mucksmäuschenstill ist im großen Saal. Die Kinder im Saal, die nicht ganz so gut lesen können wie diese zehn Vorleser, spüren: Lesen ist spannend und Lesen macht Spaß.

Ein hoher Gast aus Hamburg ist an diesem Vormittag ins Bürgerhaus gekommen: Kultursenator Reinhard Kluth (CDU). Er hat zwar nicht allzu viel Zeit (47 Minuten), "weil ich noch einen ausländischen Gast habe", aber er hat eine kleine Überraschung mitgebracht: Das Buch "Hund Müller". Daraus liest er den Kindern vor.

"Ich habe als Jugendlicher Moby Dick und Huckleberry Finn gelesen", verrät der Senator. "Und ich habe Bücher über die Eroberung Mexikos durch die Spanier verschlungen." Wer lese, dem öffne sich die ganze Welt, sagt der Senator, "Lesen ist der erste Schritt zum Selberdenken."

"Lesen ist die Schlüsselqualifikation für die Teilhabe an der Gesellschaft - wer nicht lesen kann, versteht keine Zeitung und auch keine Autobahnschilder", sagt die Schirmfrau von "Die Insel liest", die bekannte Kinderbuchautorin Kirsten Boie "Kinder müssen unheimlich viel lesen, denn lesen kann auch Spaß machen und lustig sein. Lesen ist nicht nur etwas für Stubenhocker."

Der Veranstalter des Lesetages, Wilhelm Kelber-Bretz vom Forum Bildung Wilhelmsburg, nennt den Tag im Bürgerhaus eine "kulturelle Basisveranstaltung". Er sagt dem Senator, dass er die aktuelle Integrationsdebatte "beschämend" finde. "Der Einsatz von Menschen mit migrantischem Hintergrund in Wilhelmsburg wird nicht genügend gewürdigt. Wir müssen nicht nur die Leute integrieren, sondern die bringen auch etwas in die Gesellschaft mit ein."

Fast alle Vorleser an diesem Tag sind Zweisprachler, haben das, was Soziologen einen "Migrationshintergrund" nennen. Der beste Vorleser der Elbinsel ist der einzige Junge im Wettbewerb: Patrick Lopez Rodrigues. Er ist zehn Jahre alt und besucht die vierte Klasse der Sprachheilschule Wilhelmsburg am Kurdamm. Seine Eltern stammen aus Spanien. Patrick hat mit besonders viel Einsatz, fast fehlerfrei und mit viel Gefühl erzählt und die Zuhörer mit der Geschichte vom "kleinen Drachen Kokusnuss" begeistert.

Bravo Patrick!