Ist der Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan für Christen mit dem Gewissen vereinbar? Zwei evangelische Pastoren diskutieren in Harburg über den Bundeswehreinsatz

Harburg. Können Christen in Deutschland den Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan mit ihren Gewissen vereinbaren? Oder müssten sie sich nicht lautstark empören und den Abzug der Soldaten fordern? Der frühere Pastor an St. Johannis in Harburg Christian Arndt, heute in Ruhestand, sieht in dem Kriegseinsatz einen "totalen Bruch" mit der christlichen Tradition. Bei einer öffentlichen Diskussion mit Propst Jürgen F. Bollmann in Harburg hat Christian Arndt die Haltung der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) vehement gerügt.

Die Konstellation im Gemeindesaal von St. Johannis in Harburg ist spannend: Hier der Pazifist Christian Arndt, der Kritik an der Kirchenleitung übt. Neben ihm der Probst des Kirchenkreises Ost und kommissarische Bischof von Hamburg, Jürgen Bollmann. Mit gut 30 Besuchern ist beinahe jeder Stuhl im Saal besetzt. Die Kirchengemeinde diskutiert im Rahmen des bundesweiten Gesprächsforums "Ökumenische FriedensDekade" Das Motto in diesem Jahr: "Es ist Krieg. Entrüstet euch!"

Und das macht der Pastor in Ruhestand. Laut Arndt sehe Bischof Gerhard Ulrich, als stellvertretender Vorsitzender der Bischofskonferenz einer der höchsten Würdenträger der Evangelischen Kirche in Deutschland, die militärische Gewalt in Afghanistan für ethisch legitimiert an. Christian Arndt hält das aus christlicher Sicht für falsch.

Anhand von Medienberichten über das Handeln der Bundeswehr in Afghanistan dokumentiert Christian Arndt, was Bischof Ulrich - und damit die Evangelische Kirche als Ganzes - für christlich gerechtfertigt halte. Der Kritiker zitiert aus Zeitungsartikeln, dass das Kommando Spezialkräfte, das sind Elitesoldaten der Bundeswehr, "Foltergefängnisse" bewacht hätten. Deutsche Soldaten, folgert Arndt daraus, hätten damit Beihilfe zur Folterung geleistet.

Arndt bezieht sich auf Zeitungsberichte, denen zufolge die Bundeswehr Menschen auf sogenannte "Todeslisten" der USA setzen ließ, die im Verdacht stünden, zu den Taliban zu gehören. Als menschenverachtend kritisiert er den Einsatz von Uran-Munition in Afghanistan. "Auf diese Fälle", sagt Christian Arndt, "geht die kirchliche Leitung in keiner Stellungnahme ein." Die Aufgabe der Kirche sei es, für die geschundenen Menschen da zu sein - und nicht für die Täter.

Es gebe keinen Menschen, der nicht mal Täter gewesen sei, mahnt Propst Bollmann vor Schwarz-Weiß-Malerei. Arndts Angriff auf die Kirchenleitung hält er eine weit beachtete Predigt der früheren Bischöfin Margot Käßmann entgegen. "Nichts ist gut in Afghanistan", war eine zentrale Aussage, mit der die Bischöfin die Kriegshandlungen in dem Land in bisher nicht bekannter Offenheit hinterfragte. Die Aussage von Bischof Ulrich sei aus dem Gesamtzusammenhang gerissen und erhalte so eine andere Bedeutung.

Der christliche Glaube habe eine "eindeutige Tendenz" zur Gewaltlosigkeit. Nur manchmal, so Bollmann, gehe es nicht anders, der verachtenden Gewalt zu begegnen.

"Als Kirche können wir nur sagen: Krieg soll nach Gottes Willen nicht sein", sagt Jürgen Bollmann. Er räumt ein, dass die Kirche als Mahner nicht immer erfolgreich gewesen sei: "Wir können nur demütig sagen, dass es uns in der Kirche nicht gelungen ist, die Kriege nach dem Zweiten Weltkrieg zu verhindern." Allein mit der Bündnispartnerschaft in der Nato den Bundeswehreinsatz in Afghanistan rechtfertigen zu wollen, zuletzt in der Öffentlichkeit durchaus ein Argument von Politikern, ist für Jürgen Bollmann zu wenig. "Wir sind offenbar nicht stark genug gewesen", räumt er ein, "unserer Regierung deutlich zu machen, dass wir ein anderes Verständnis von der Freundschaft mit Amerika haben."

Warum rufe die Kirche "ihre Schäfchen" denn nicht auf, gegen den Krieg zu demonstrieren, will ein Besucher wissen. Die Evangelische Kirche habe nie zu Demonstration aufgerufen, entgegnet Bollmann, und werde es auch nicht tun. Sie greife nicht in die Gewissenentscheidung einzelner ein. "Ich würde aber jeden unterstützen", so Jürgen Bollmann, "das Notwendige aus seinem christlichen Glauben heraus zu tun."