Filmmuseum Bendestorf würdigt den Filmproduzenten Rolf Meyer, der Filmstars in die Heide brachte

Bendestorf. Zwei Palmin-Kartons und ein Fahrrad. Mehr soll es nicht gewesen sein, was der Flüchtling Rolf Meyer und seine Frau bei sich trugen, als sie vor Ende des 2. Weltkrieges im Heideörtchen Bendestorf ankamen. Doch schon bald sollte Meyer, der Tausendsassa und das Multitalent, den kleinen Heideort Bendestorf aufmischen und aus seinem Dornröschenschlaf erwecken: Er holte die Filmdiven in die Provinz und schon bald nannte man Bendestorf in einem Atemzug mit München, Berlin und Göttingen - Orten, wo die großen Filmateliers standen.

Eine cineastische Traumfabrik entstand mit der "Jungen Film Union", die Meyer 1947 mit Zustimmung der Alliierten gründete, die weiter ein wachsames Auge auf die Filmethik hatten. Und so tippelten bald die sündhaft schöne Knef vor ihrem weltweiten Durchbruch oder Marika Rökk in eleganten Seidenschuhen und mit kunstvoll eingelegten Haaren durch Bendestorfs Straßen, wo heute nur mehr eine Sackgasse an Rolf Meyer erinnert und damals sehr bald die Bendestorfers Studioanlagen entstanden, in denen Meyer an die 20 kurzweilige Spielfilme drehte. Hohe Absätze und tiefe Blicke: Meyer machte Bendestorf für eine Weile zum Mekka der Filmkunst inklusive Nachtbarkomfort, schuf Arbeitsplätze und sorgte für Glanz und Amüsement. Heute ist er der Vergessene.

Meyer startete im Gasthaus "Zum Schlangenbaum", in dessen Tanzsaal zunächst auch seine Dreharbeiten stattfanden. Seine "Junge Film Union" hatte es sich in jener seltsam regellosen Nachkriegsaufbruchszeit zur Aufgabe gemacht, "Filme mit jungen Menschen und mit gegenwartsnahen Themen" zu drehen. Eines hat sie dabei sicher erreicht, nämlich zum schillernden Zeugnis des deutschen Nachkriegsfilms geworden zu sein. Die Filme hatten nicht selten einen dörflichen Einschlag und spielten im ländlichen Milieu, vor dessen Kulisse sich Liebes- und Ehedramen mit überschaubarer Moral gut erzählen ließen. Die Großstadt galt als Moloch, vor dem man flüchtete, was bereits Momente des Heimatfilms vorweg nahm. Einige Jahre funktionierte das prachtvoll, und Meyer produzierte Film um Film, darunter "Die Sünderin" oder "Sensation in San Remo".

Doch allmählich passierte das, was man den Aufstieg und den Fall des Rolf Meyer nennen könnte. Meyer war Kreativer, kein Kaufmann. Ungeschickte Verträge ohne Garantieklausel brachten sein Unternehmen bald in eine dramatische wirtschaftliche Schieflage, ein Autounfall legte den Produzenten schließlich soweit lahm, dass am 6. November 1952 vor dem Landgericht Stade das Konkursverfahren gegen Meyer eröffnet wurde. Der glamouröse Traum wandelte sich zum Albtraum.

Walfried Malleskat und Jörn Lüthke vom Filmmuseum Bendestorf, das nur einen Katzensprung von den letzten noch verbliebenen Steinmauern des Gasthauses "Zum Schlangenbaum" entfernt liegt, haben Leben und Werk des Rolf Meyer auf bewundernswerte Weise und im ehrenamtlichen Einsatz aufgearbeitet. Am Freitag führten sie mit einem Themenabend im Makens Hus in die Sonderausstellung zum 100. Geburtstag des Bendestorfer Filmproduzenten. Dabei wurde deutlich, auf welchen restaurativen Geist der Filmproduzent mit den pomadisierten Haaren und der dunklen Hornbrille gestoßen sein musste. Vor dem Landgericht Stade wurde 1956 vor der zweiten Strafkammer die Causa Rolf Meyer verhandelt. Jörn Lüthke wühlte sich durch die zwölfbändigen Prozessakten und sagte: "Man gewinnt schnell den Eindruck, dass die ermittelnden Behörden nicht zugunsten des Angeklagten ermittelt haben."

Auch ein in seiner Sprache ungemein spießiger und verräterischer Bericht des Nachrichtenmagazins "Der Spiegel" aus dem Jahr 1956 legt Zeugnis ab, mit welcher Verbissenheit damals nach moralischen Verwerfungen der Filmleute gesucht und die Welt des Films argwöhnisch beäugt wurde (der Film "Die Sünderin" mit Hildegard Knef sorgte seinerzeit zum Beispiel aufgrund einer Nacktszene für einen der ersten Filmskandale). In dem Artikel ist die Rede von einem Prozess, "in dem das beschwingte Milieu des Filmgeschäfts nachkriegsdeutscher Prägung gemessen" werde "an den ehernen Normen des Strafgesetzbuches und der Konkursordnung." Ein Jahr und drei Monate Gefängnis lautete schließlich das Urteil, das Meyer von der Justiz ereilte und das mit einer Geldstrafe von 1000 Mark verbunden war.

Der Filmhistoriker Dr. Peter Stettner vom Kulturarchiv der FH Hannover, den das Filmmuseum am Freitag für ein Referat gewinnen konnte, würdigte besonders die historische Dimension des Materials für eine "Erinnerungskultur". Das Material, das die Bendestorfer aus der Zeit der Jungen Film Union gesammelt und aufgearbeitet hätten, sei bedeutsam - und er gab dem Heidenest mit auf den Weg: "Das ist ein Pfund, mit dem Sie wuchern können. Ich würde das nicht zu tief hängen." Walfried Malleskat wiederum deutete in seinen Ausführungen an, auf welch finanziell wackeligen Beinen sein Filmmuseum derzeit zu stehen habe.

Historische Aufnahmen aus der Zeit von 1946 bis 1952 ließen schließlich die glanzvolle Zeit Rolf Meyers ein wenig wieder aufleben und machten deutlich: Das einstige Bendestorfer Leuchten sollte nicht nur auf spärlicher Flamme am Leben erhalten, sondern wieder über den Landkreis hinaus strahlen. Rolf Meyer, der Illusionist, kehrte 1962 schließlich völlig mittellos nach Bendestorf zurück. Er hatte keine Illusionen mehr. Ein Jahr später starb er. Der Erhalt seines cineastischen und zeithistorischen Erbes ist eine Aufgabe, die bleibt.

Sonderausstellung 100 Jahre Rolf Meyer mit Szenenbildern von Erich Kettelhut im Filmmuseum Bendestorf, Poststraße 4, bis 30. November, Montag, Donnerstag, Freitag 9-12 Uhr, Dienstag 15-18 Uhr