Männer, die einst auf den sieben Weltmeeren schipperten, treffen sich einmal im Jahr in Holm-Seppensen

Holm-Seppensen. Ihr Zuhause waren die Weltmeere - Rio, Shanghai, Hongkong oder Westafrika haben sie während ihrer Reisen angelaufen, jetzt haben sie in Holm-Seppensen "festgemacht". Ingo Krebs, Bernd Julich und Ewald Schulte haben die Ozeane gegen die Heide eingetauscht. Seit 2007 treffen sie sich einmal im Jahr mit rund 30 weiteren ehemaligen oder aktiven Seefahrern zum Gedankenaustausch.

Schon wird in und um Holm-Seppensen auf Plakaten für das diesjährige Treffen am 12. November geworben. Durfte anfangs ausschließlich kommen, wer ein Seefahrtsbuch besaß, so sind die Regeln inzwischen etwas gelockert worden. "Auch wer mit einem Segelboot über den Nordatlantik gefahren ist", sei willkommen, sagt Bernd Julich.

Ingo Krebs erinnert sich: "Bei den ersten beiden Treffen gab es noch Vorstellungsrunden, inzwischen kennen sich alle." So bleibt mehr Zeit zum Austausch von Erinnerungen und Döntjes. Viel erlebt haben sie alle.

Ingo Krebs, 67, begann 1969 beim Deutschen Hydrographischen Institut, dem heutigen Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie. Als Maschinist fuhr er auf Forschungsschiffen um die Welt. Jede Reise dauerte drei bis vier Monate, nach zwei Törns wurde einmal ausgesetzt. So war er die meiste Zeit des Jahres auf See - an Bord der "Gauß" und vor allem der "Meteor". "Ich wollte etwas sehen von der Welt, bin viel herumgekommen und habe interessante Leute kennengelernt." Grönland, Westafrika, Brasilien, Feuerland und die Antarktis waren die Stationen.

Holm-Seppensen wurde 1974 sein "Heimathafen", das Grundstück hatte sein Großvater schon 1913 für kleines Geld gekauft. Ingo Krebs weiß: "Viele, die früher zur See gefahren sind, haben hier ein Häuschen gebaut und leben heute in Holm-Seppensen." Einer von ihnen ist Bernd Julich. Der 64-Jährige, der heute für ein Mobilfunkunternehmen arbeitet, fuhr als Funkoffizier auf den großen Passagierschiffen des Norddeutschen Lloyd, auf der "Bremen" und der "Europa", im Linienverkehr zwischen Bremerhaven und New York.

Später arbeitete Julich im Frachtverkehr zwischen den Kontinenten - so auch auf dem Frachter "München", der 1978 im Atlantik unterging und die gesamte Besatzung mit in den Tod riss. Doch Julich hatte die "München" schon vorher verlassen, sein letztes Schiff war die "Otto Hahn". Das Forschungsschiff mit Atomantrieb "konnte mit 20 Kilo Uran 40 000 Seemeilen weit fahren" und sollte weltweit für deutsche Nukleartechnik werben. Doch strenge Sicherheitsvorschriften, das aufwendige Auswechseln der Brennstäbe und Einlaufverbote in vielen Häfen brachten 1979 das Aus für das deutsche Atomschiff.

Da war der gebürtige Heidjer Bernd Julich schon an Land. Er hatte an Bord seine spätere Frau kennengelernt, die als Schwester des Bootsmannes als Passagierin mitgefahren war und später Julich bei seiner Arbeit als Zahlmeister assistierte. Als beide sich entschlossen, eine Familie zu gründen, war das 1976 das Ende des Seefahrerlebens, und die Suche nach einem neuen Zuhause begann. "In Holm-Seppensen hat es uns am besten gefallen", begründet Julich die Wohnortwahl. Die gute Infrastruktur spreche ebenso für den Heideort wie die Tatsache, dass "die Welt hier noch in Ordnung ist."

"Galloway"-Wirt Ewald Schulte sieht das genauso. Der 66-Jährige ist von 1962 bis 1968 zur See gefahren, die Fotos "seiner" sechs Schiffe hängen heute in seiner Gaststätte an der Wand. Seit 20 Jahren betreibt Schulte das "Galloway" in Holm-Seppensen - hier gibt es Musikabende, hier trifft man sich zum Klönschnack, und hier findet jedes Jahr das Seefahrertreffen statt.

Bei den bisherigen Veranstaltungen hat Schulte, der an Bord Smutje und später Erster Stewart war, seine Kollegen mit Labskaus und Grünkohl beköstigt, in diesem Jahr gibt es Schweinshaxen.

Und bei einem der nächsten Treffen soll dann sein Leibgericht auf den Tisch kommen, das es so oder ähnlich auf vielen Schiffen auf der ganzen Welt gibt: "Curryhuhn mit Kombüsenresten" - zum Hühnchen werden Reis, Rote Bete, Zwiebeln, Gurken, Eier, Mettwurst und vieles mehr gereicht.

Auch Ewald Schulte hat so manches erlebt: "Ich bin nach Le Havre gefahren und habe auf einem Schiff angeheuert, später ging es rund um die Welt." Doch unvergessen bleibt vor allem, was Schulte bei einer Fahrt hinter den Eisernen Vorhang im Hafen von Stettin erlebte. "Wir sollten am ersten Weihnachtstag nachts auslaufen. Am Abend davor habe ich an Land ein bisschen viel Krimsekt getrunken und habe verpennt - als ich zum Hafen kam, war der Dampfer weg." Ein Hubschrauber brachte ihn an die Grenze, als er wieder aufs Schiff kam, gab es Applaus. Doch das Ganze hatte ein Nachspiel: Für Hubschrauberflug und Geldstrafe waren 10 000 Mark fällig, die Schulte abarbeiten musste.

Der vierte im Bunde der "Gründungsmitglieder" ist Hubert Flohr, der als Kapitän auf Kreuzfahrtschiffen noch aktiv ist. Zum Treffen am 12. November will er aber auf jeden Fall wieder zurück sein.