Ich sitze im Zug von Lüneburg nach Hamburg. Neben mir ein Herr, wohl gerade im geschäftsfähigen Alter. Er trägt zu weite Kleidung, nicht geschnürte Schnürschuhe und eine Schirmmütze. Seine Haare, das sieht man trotz Mütze, sind stark pomadisiert.

Dann klingelt sein Mobiltelefon. Oder besser: Es rappt. Zum Glück nimmt mein Nachbar seinen Anruf rasch entgegen. "Hallo?" - Pause. "Hallo?" - Wieder Pause. Dann: "Wer is'n da?" Noch eine Pause. "Alter, du bist das! Ey, ich sitz gerade im Zug! Ja, ey, ich weiß auch nich! Hier is irgendwie voll der Scheißempfang!"

Während sich meine Überraschung über seine leicht aggressiv vorgetragene Feststellung in überschaubaren Grenzen hält, legt er nach einigen weiteren relativ erfolglosen Kommunikationsversuchen resigniert auf. Ich freue mich über die erneute Stille, aber nur kurz.

Denn wieder klingelt ein Mobiltelefon. Diesmal das einer Frau mittleren Alters, die mir gegenüber sitzt. Auch sie beginnt ihr Telefonat mit einem beherzten "Hallo?". Das kenne ich ja nun schon. Es folgt ein weiteres "Hallo?" und dann ein Ausruf, der an Dramatik und Poesie kaum zu überbieten ist: "Erde an Peter! Erde an Peter! Piep piep, düdüdüt!", gefolgt von einem weiteren, nun beinahe lapidar wirkenden "Hallo?".

Ich senke meinen Kopf und schäme mich fremd, als weiter hinten im Waggon ein drittes Handy klingelt. Und dann retten zwei alte Damen meinen Tag - inmitten alltäglich belangloser Gesprächsfetzen und missglückter Kommunikation in Zügen, die durch ländliche Mobilfunknetzabdeckung fahren. Sie tragen beige Strickmützen und bordeauxrote Mäntel und schauen sich mit großen Augen an. "Jetzt telefoniert der auch noch!", sagt die eine. "Aber nicht mehr lange", beruhigt die andere. "Nicht im Winsener Loch."