In “Deutschboden“ nimmt Moritz von Uslar die ostdeutsche Kleinstadt auseinander

"Deutschboden - eine teilnehmende Beobachtung" nennt Moritz von Uslar seine Reportage in Romanform. Und so teilnehmend klingt das erst mal nicht, wenn er seinen Berliner Freunden bei Steak und Champagner im Berliner Promirestaurant "Grill Royal" sein Vorhaben erklärt: einmal ab nach "Hardrockhausen", in den wilden Osten, dahin, wo der Proll in strahlend weißen Trainingsanzügen an Tankstellen und in Pilslokalen herumlungert, der deutschen Seele auf den Zahn fühlen. Gemacht, getan. Der Reporter Uslar landet in einem Kaff, das er Oberhavel nennt. Schnell ist er im lokalen Boxclub angemeldet und hängt am Tresen der Gaststätte Schröders ab, dem ersten Haus am Platz, und schon kennt Uslar Blocky, den tätowierten Punk Raoul und natürlich Crooner, seine trinkfesten und laberfreudigen Eintrittskarten zu Grillabenden, Bieren (Molle genannt) und besoffenen Autofahrten in getunten Wagen. Uslar, der eigentlich Freiherr von Uslar-Gleichen heißt, stellt fest, das die Jungs, die definitiv nicht seinesgleichen sind, einen prima Humor haben. Auch wenn in der Kleinstadt nahezu gar nichts passiert, eigentlich der Supergau einer jeden Reportage, nimmt einen die detailgenaue Beschreibung gefangen, die Uslar von seiner neuen Basis, dem Geisterhaus "Haus Heimat", in dem er residiert, auf seine Umgebung anwendet. Vorurteile hat er genug im Gepäck und politisch korrekt schwadroniert er schon gleich gar nicht. "Deutschboden" bietet einen Einblick, der keine Allgemeingültigkeit beanspruchen will, wie sich Menschen, die überwiegend Hartz IV beziehen, in kleinen Idyllen mit eigenen Highlights eingerichtet haben. Ob die Großstadt immer so viel besser sein muss, ist am Ende fraglich, wenn der Reporter erneut recht degeneriert bei Steak und Champagner sitzt. Prollsein erscheint nach Lektüre als der neue Schick, der letzte Schrei. Uslar, Deutschboden, kiwi 19,95 Euro.