Um Wein und Weingenuss rankt sich eine Sprache besonderer Art.

Sie scheint fast ein Geheimcode der Connaisseurs, der Kenner zu sein. Ich bin eher schlichten Gemüts, zumindest was Wein betrifft, und freue mich, wenn ich einige Sorten kenne, die mir gut schmecken. Wobei ich mich mit dem Wort "schmecken" schon fast als Nichtkenner zu erkennen gebe.

Selbstverständlich ist Wein eine Wissenschaft von Reben, Boden, Sonne, Erfahrung und vielem mehr.

Wie dem auch sei. Ich stelle mir vor, ich würde bei einer Familienfeier einen Fruchtsaft eingießen und ihn wie einen Wein beschreiben: "Gleich merkst du es, liebes Kusinchen. Die morgendliche Frische eines Frühlingstages, gepaart mit dem zarten Hauch von Blütenduft, erfreut schon beim Einschenken deine Sinne. Genieße diesen Tropfen von exotischen, harmonisch aufeinander abgestimmten Fruchtnoten. Und achte auf die beachtliche Stofflichkeit und den majestätischen Tiefgang."

Oder ich würde eine Flasche Mineralwasser mit den Worten öffnen: "Das Wasser dieser wunderbaren Quelle präsentiert sich mit Tiefe, Struktur und Charakter. Am Gaumen ist es füllig und samtig zugleich mit unverkennbarem erdigen Nachklang." Man würde erst mich mit besorgtem Gesichtsausdruck ansehen und dann hinter meinem Rücken den Kopf schütteln und flüstern: "Was ist denn nun wieder mit ihm los?" Nur Erika würde laut und deutlich verkünden: "Ich hab's ja schon immer gesagt, mit ihm wird es mal schlimm enden." Dabei fällt mir wieder jenes alte französische Sprichwort ein: "Qui bon vin boit, dieu voit. - Wer guten Wein trinkt, sieht Gott." Kann man es kürzer und besser sagen?