Schüler vom Gymnasium Finkenwerder besuchen Westjordanland und Jerusalem

Finkenwerder/Beit Jala. "Es war eine wunderbare Erfahrung, die ich nicht missen möchte", sagt Dominik Sawall, 18. "Wir haben viel erlebt, was wir auf einer normalen Schülerreise nicht erlebt hätten."

Dominik Sawall besucht die 12. Klasse des Gymnasiums Finkenwerder. Gemeinsam mit 13 Mitschülern, vier Schülern der Gesamtschule Finkenwerder und vier Lehrern ist er gerade von einer ganz besonderen Reise zurückgekehrt: Die Gruppe hat eine Schule in Palästina besucht, nachdem neun palästinensische Schüler im Sommer in Finkenwerder waren. "Dieser Schulaustausch ist der erste zwischen einer Hamburger und einer palästinensischen Schule", sagt Kristina Wiskamp, 39, Lehrerin am Gymnasium Finkenwerder - sie ist Koordinatorin des "Austauschprojekts Palästina".

Die Schüler aus Finkenwerder waren bei Schülern untergebracht, die eine deutsche Auslandsschule in der Region Bethlehem - eine der renommiertesten palästinensischen allgemeinbildenden Schulen in der Westbank - besuchen: Talitha Kumi in Beit Jala, einer kleinen Stadt mit 16 000 Einwohnern, sie liegt zwei Kilometer von Bethlehem entfernt.

Viele Absolventen Talitha Kumis gehören zu den Funktionsträgern in der palästinensischen Zivilgesellschaft und arbeiten als Ärzte, Lehrer, Architekten und Ingenieure. Die Schule steht in deutscher Trägerschaft des Berliner Missionswerks der Evangelischen Kirche in Deutschland. Die meisten Gasteltern der Finkenwerder Schüler sind Christen griechisch-orthodoxen Glaubens.

Spannend war schon die Anreise. Zwei Finkenwerder Schüler wurden von israelischen Security-Leuten auf dem Flughafen in Tel Aviv genau befragt: Samed, 18, und Paulina, 18. Deren Zweitname ist arabisch: Aisha. Die Israelis wollten wissen, wie ihr Vater heißt und was ihr Vater, ihre Mutter und ihr Großvater machen. Dass ihr Großvater in Ghana Imam ist, sagte Paulina lieber nicht. Ihre Antwort: "Er verkauft Orangen."

Samed zeigte den Israelis einen türkischen Pass mit israelischem Visum. Auch von ihm, wollte die Security wissen, was seine Eltern machen und wie lange er schon in Deutschland lebt.

Um ins Westjordanland zu fahren, müssen die Schüler einen Checkpoint passieren. "Die Stimmung dort ist bedrückend", sagt Laura Stasiak, 17. Die Soldaten, darunter auch Frauen, sind kaum älter als wir. Sie tragen riesige Schusswaffen und schusssichere Westen."

In seiner Gastfamilie, die ihn "wie ein Familienmitglied behandelt", fällt Dominik beim Duschen sofort auf, "dass wenig Wasserdruck auf den Leitungen ist." Seine Gasteltern erklären ihm, "die Israelis kontrollieren die Wasserpumpen und stellen sie nicht kräftig ein".

Hanna Sell, 17, erfährt von ihren Gasteltern, dass Israel Land enteignet hat, um auf dem Olivenhain der Familie eine Brücke zu bauen. "Die neue Straße ist ummauert und nur für Israelis gebaut, die darauf zu ihren Siedlungen im Westjordanland fahren", sagt Hanna. "Die Enteignung macht meine Gasteltern wütend und zornig, aber es gibt keine Möglichkeit für sie, dagegen vorzugehen."

Was die Finkenwerder Schüler sofort wahrnehmen: Die Region Bethlehem ist komplett abgeriegelt - mit hohen Mauern, Wachtürmen und Zäunen. Die Schüler passieren einen Checkpoint, wenn sie nach Tel Aviv, Jerusalem, zum Berg Masada und zum Toten Meer fahren. Wenn die Palästinenser der Region Bethlehem zum Toten Meer fahren, fahren sie über Berge und durch Wüstentäler auf schlechten Straßen in drei Stunden. Die Israelis fahren auf ihren Straßen in einer Stunde.

Auch Jerusalem steht an zwei Tagen auf dem Reiseplan - die Grabeskirche, die Klagemauer, der Felsendom und die Al-Aqsa-Moschee auf dem Tempelberg in der Jerusalemer Altstadt - sie gilt als drittwichtigste Moschee des Islams; der Felsendom ist der älteste islamische Sakralbau und das wohl bekannteste Wahrzeichen Jerusalems und eines der Hauptheiligtümer des Islam. Aber nur Samed und Alpay Yildirim, 17, dürfen die Al-Aqsa-Moschee und den Felsendom besuchen, weil sie Muslime sind. "Vor dem Felsendom mussten wir einem Wächter auf Arabisch das Glaubensbekenntnis und ein Gebet aufsagen und ihm erklären, wie die rituelle Waschung geht", sagt Alpay. "Erst danach bekamen wir Einlass."

Die Finkenwerder Schüler haben in Jerusalem auch die Gedenkstätte Yad Vashem besucht, die an die Ermordung von Millionen Juden im Dritten Reich erinnert, und waren tief bewegt.

Yad Vashem, offiziell: "Gedenkstätte der Märtyrer und Helden des Staates Israel im Holocaust", ist die bedeutendste Gedenkstätte, die an die nationalsozialistische Judenvernichtung erinnert und sie wissenschaftlich dokumentiert.

In Tel Aviv trifft die Gruppe aus Finkenwerder Schüler einer Highschool. Sie spielen gemeinsam israelische Sing- und Tanzspiele und reden später über den Nahost-Konflikt. "Die israelischen Schüler waren sehr nett. Sie wussten aber nur wenig über die eingeschränkte Bewegungsfreiheit der Palästinenser. Sie sagen, sie brauchen die Mauern und Zäune für ihre Sicherheit", sagt Dominik.

"Wir alle lieben dieses Land. Palästinenser und Israelis sind nette Menschen. Wir wollen einen kleinen Beitrag dazu leisten, dass die beiden Völker irgendwann einmal friedlich zusammenleben können", sagt Sybille Möller-Fiedler, 50. Sie koordiniert eine Ausstellung im Hamburger Rathaus unter dem Titel "Cartoons in Conflict" vom 7. bis zum 21. November. Weltweit renommierte Cartoonisten zeichnen ihre Sicht des israelisch-palästinensischen Konflikts - die Finkenwerder Schüler werden die Ausstellung mit Texten und Zeichnungen kommentieren.

Der Austausch wurde unterstützt durch die Norddeutsche Stiftung für Umwelt und Entwicklung, die Initiative Pasch des Auswärtigen Amtes, die Hamburger Schulbehörde, die Haspa und die Peter-Mehlmann-Stiftung.