Ein 1200 Meter langes Monstrum auf Schienen erneuert das Schotterbett der Gleise in Harburg. Bauarbeiten dauern bis Freitag an.

Harburg. Kilometerweit, bis in die Harburger Innenstadt, ist das schrille Tuten aus den Signalhörnern zu hören. Immer wenn sich ein Zug auf dem Nachbargleis der Bahnstrecke Harburg-Cuxhaven nähert - das kommt fast alle fünf Minuten vor - werden die Männer, die derzeit auf dem Bahngelände zwischen Buxtehuder Straße und Karnapp am Schienenstrang zu tun haben, durch das akustische Signal gewarnt. Die Lautstärke geht durch Mark und Bein. Wer's nicht hört, sollte zum Ohrenarzt.

Aber da gibt es noch mehr Geräusch: Dumpfes Brummen aus vielen Dieselmotoren mit zusammen 4500 PS. Seit gestern schlängelt sich ein 1,2 Kilometer langes, gelbes Eisenbahn-Monstrum wie ein Lindwurm durch das Stadtgebiet und bewegt sich im Schneckentempo vorwärts. Alter Schotter flitzt dabei auf Förderbändern zu Rüttlern, Brechern, Sieben und Waschbecken und wird dabei zu neuem Baumaterial aufbereitet.

Was sich da seit Ende vergangener Woche auf dem nördlichen der beiden Streckengleise abspielt, ist ein Routineeinsatz und dennoch faszinierend in seiner Art. Bis kommenden Freitag, 8. Oktober, 5 Uhr, sollen die Arbeiten auf dem mehr als einen Kilometer langen Gleisabschnitt zwischen Hamburg-Harburg und Hamburg-Unterelbe beendet sein, teilt die Deutsche Bahn AG mit, die für die Erneuerung des stark befahrenen Abschnitts rund 1,7 Millionen Euro ausgibt. Das südlich gelegene Gleis wurde bereits in den Vorjahren erneuert.

Übers Wochenende war die auf Gleisbau spezialisierte Baugesellschaft Swietelsky aus Hannover mit ihren technischen Geräten vor Ort, nahm alte Schwellen und Gleise hoch und packte in einem Rutsch an die selbe Stelle fertig montiertes neues Gleis und schweißte den Schienenstrang wieder komplett zusammen. Neue Schwellen und Gleise sind aber nicht alles bei dieser Komplettsanierung des Gleisabschnitts. Der gesamte Unterbau und der Aufbau mit Schotter werden ebenfalls erneuert. Das ist die Aufgabe des Lindwurms aus dem Maschinen-Fuhrpark der bei München ansässigen Firma "eurailpool", die für den Reparatureinsatz von Bahnstrecken in ganz Europa drei solcher Automatenmonster im Einsatz hat. Bauleiter Thomas Schegerer: "Ein Großteil der Arbeiten ist automatisiert." Gut 20 Männer werden dennoch gebraucht, um die Maschine in Gang zu halten und den Betrieb zu sichern.

Lev Bachmann ist Projektleiter der Baugesellschaft Swietelsky und hat dafür gesorgt, dass das neue Gleis auf das alte Schotterbett gepackt wurde. Und nun sorgt er in Abstimmung mit dem Bauleiter Thomas Schegerer von "eurailpool" dafür, dass der Lindwurm unter dem neuen Gleis den ganzen alten Schotter entfernt. Mehr noch: Es wird eine bislang nicht da gewesene 30 Zentimeter starke Tragschicht eingebaut und auch an den Seitenrändern der Gleisanlage wird Erdboden beseitigt, um eine feste Tragschicht zu schaffen, bevor das neue Schotterbett aufgelegt wird. Der alte Untergrund hatte deutlich zu wenig Tragfestigkeit, war der hohen Belastung durch schwere Güterzüge aus dem Hafen, darunter Eisenerz- und Kohlezüge, kaum gewachsen. Es gab Setzungen, ähnlich wie bei Bodenwellen auf der Straße.

Der gelbe Lindwurm, der auf den Namen "PM 200-2R" hört oder komplett ausgesprochen "Planumsverbesserungsmaschine" heißt, hat seine entscheidende Apparatur auf etwa halber Länge, bei 600 Meter. Dort wird das Gleis unter einem der Waggons auf etwa 30 Meter Länge um gut 50 Zentimeter hochgehoben. Alter Schotter wird ausgebaut und zur Aufbereitung, inklusive Wäsche, geschickt. Der neue Unterbau wird auf ausgerolltes Geotextil geschüttet und verdichtet, aufbereiteter und neuer Schotter aufgetragen und das Gleis wieder abgesenkt. "Wir schaffen etwa 39 Meter pro Stunde", sagt der Bauleiter. Gearbeitet wird im Schichtbetrieb, rund um die Uhr, 24 Stunden am Tag.

Wozu ist der Schotter eigentlich gut? "Es handelt sich um Gesteinsbruch aus Granit oder Basalt der Korngrößen 22 bis 63 Millimeter", erklärt Schegerer. "Frischer Schotter hat scharfe Kanten und verzahnt sich ineinander, stützt die Schwellen und gibt ihnen auch seitlichen Halt, beispielsweise wenn sich die Schienen im Sommer bei Wärme ausdehnen oder bei Kälte im Winter zusammenziehen." Der Schotter leidet jedoch im Laufe der Jahre. Einerseits unter dem Druck und den Vibrationen durch die Züge und andererseits auch unter den klimatischen Belastungen durch Regen, Hitze und Kälte. Die scharfen Kanten brechen, Schottersteine werden rund und geben weniger Halt. So werden auch die alten Schottersteine nicht nur nach Größe gesiebt und gereinigt, sondern auch an den Kanten wieder neu gebrochen.

Bei allem, was bei dieser Gleiserneuerung an Erdboden abgetragen wird oder auch als Schlamm bei der Schotterwäsche anfällt, sind Kontrolleure im Einsatz, die Schadstoffbelastungen messen und anschließend entscheiden, wie das Material weiter behandelt wird: Aufbereitung oder Deponie. Eisenabrieb oder auch Bremsbelag zählt neben Staub und Sand zu den wesentlichen Eintragungen im Schotter.

Wegen der Lärmbelastungen durch Signalhörner und Baumaschinen bittet Bahn-Sprecher Egbert Meyer-Lovis um Verständnis.