Auch der Herbst hat seine schönen Tage. Das haben sich wohl auch einige Rapspflanzen gesagt, die jetzt am Rande eines seit Wochen abgeernteten Feldes noch mal ihr strahlendes gelb erscheinen lassen.

Bei ihrem Anblick frage ich mich: Haben sie nun den Anschluss verpasst oder können sie froh sein, nicht in der Masse ihrer Artgenossen untergegangen zu sein? Einerseits haben die seinerzeit gemeinsam üppig geblüht und ihren süßlichen Duft verbreitet. Anderseits zählte der einzelne nichts. Inzwischen sind sie auch der Erntemaschine zum Opfer gefallen und längst kalt gepresst zu Öl verarbeitet.

Da haben die "Nachzügler" es doch besser. Sie werden einzeln wahrgenommen und bewundert. Man könnte geradezu von der "Gnade der späten Geburt" sprechen. Kein Gedrängel, Platz genug zum Gedeihen. Ungetrübt können sie sich ihrer Lebensfreude hingeben. Fast wie Stars, die plötzlich wie aus dem Nichts auftauchen, aber ebenso schnell wieder verschwunden sind, so ergeht es ihnen. Den Wunsch Rilkes aus seinem Herbstgedicht "Herr es ist Zeit": "Befiehl den letzten Früchten voll zu sein; gib ihnen noch zwei südlichere Tage", werden sie kaum mehr erfüllen können. Bleibt die Erkenntnis: Spätzünder bekommen auch noch ihre Chance. Ob es jedoch zur rechten Reife reicht, bleibt dahin gestellt.