Sabine Weiß aus Asendorf hat “Die Buchdruckerin“ geschrieben, ihren zweiten historischer Roman

Natürlich trug sie Handschuhe. Das Buch vor ihr lag auf kegelförmigen Schaumstoffpolstern gebettet, Bleibänder hielten die zarten Seiten und in das Archiv durfte man nichts weiter als einen Bleistift mitnehmen. Mit ein wenig Kugelschreiber an der Fingerkuppe hätte Sabine Weiß das 500 Jahre alte Bürgerbuch der Stadt Straßburg schließlich im Handumdrehen ruinieren können. Im Stadtarchiv in Straßburg recherchierte Weiß in Chroniken, aus denen ihr der modrige Atem der Historie und Rätsel entgegenschlugen. Aber auch Ereignisse aus dem Leben ihrer Romanheldin Margarethe Prüß, einer Buchdruckerin aus Straßburg um 1520, standen der Autorin von Historienromanen plötzlich vor Augen. Prüß, die Erbin einer Buchdruckerei, eine reale historische Figur, war - so sagten es die Bücher - mit drei Männern liiert.

In Deutschland kennt man den historischen Roman, so wie ihn heute Leserinnen und Leser leidenschaftlich inhalieren und wie auch "Die Buchdruckerin" einer ist, ungefähr seit dem 18. Jahrhundert, wo die Romantiker ein wahres Historienfieber packte und sie die realen Fakten kunstvoll mit fiktionalen Zutaten garnierten. Von hier infizierte die Welle England (Walter Scott) und Frankreich.

Nebenfiguren der Geschichte avancierten flugs zu Protagonisten spannender Geschichten: Auch "Der Glöckner von Notre Dame" von Victor Hugo zählt zu diesem schaurig-schönen Genre Historienschinken, bei dem sich die Regeln auch heute nicht wesentlich geändert haben. Die Medienjournalistin Sabine Weiß aus Asendorf landete gleich mit ihrem Erstling "Die Wachsmalerin - Das Leben der Madame Tussaud" einen Riesenerfolg in zwei dicken Fortsetzungsbänden. 13 Jahre schrieb sie neben ihrer Arbeit an dem Werk über die Tussaud. Immer, wenn sie Zeit hatte. "Mein Steckenpferd", wie sie es nennt. Mit dem historischen Frauenportrait inmitten der Französischen Revolution traf sie einen Nerv, das Fakten und Fiktion kunstvoll verwebt.

"Ein bisschen wie Detektivarbeit ist meine Arbeit", sagt die Autorin, die ordentlich mit Bluse im Café sitzt, neben sich ihre Recherchematerialien und beim Erzählen konzentriert schaut. Bei der Recherche sei sie "akribisch", "geradezu pingelig". Auch ihr Arbeitsrhythmus zu Hause in Asendorf klingt nach Planung: Morgens, wenn der Sohn in den Schulbus zum Besuch der ersten Klasse verschwindet, geht die Autorin, Jahrgang 1968, an den Schreibtisch. Derzeit gern mit Fußwärmer, am Nachmittag widmet sich die studierte Historikerin und Germanistin dem Lesen, Vorbereiten und Strukturieren sowie natürlich der Korrektur der Texte des Vortages.

Doch zunächst hagelte es für den Erstling Absagen von den Verlagen. Erst mithilfe einer literarischen Agentur wurde der heutige Verlag Marion von Schröder gefunden, der zur Ullsteingruppe gehört. So schnell lässt man hier eben niemanden in den Olymp der "Autorschaft". Ihr Rezept? Sie habe die Geschichte der Tussaud so erzählen wollen, wie sie sie selbst gerne gelesen hätte. An der Mutter der Wachsfiguren habe sie das psychologische Faszinosum gereizt. Tussaud entstammte einer Henkersfamilie, eine auch seinerzeit höchst stigmatisierte Herkunft. "Als ich erfuhr, dass die Tussaud die Köpfe von der Guillotine mitnahm, war da die Frage, wie jemand das überhaupt mental überstehen kann."

Mit "Die Buchdruckerin" sind nun Ähnlichkeiten in Titel und Covergestaltung zum Erstlingserfolg unverkennbar. Der Verlag will bei der Rezeptur kein Risiko eingehen. Buchdruckerin und Wachsmalerin verbindet aber nicht nur der Umstand, als Romanheldinnen von Weiß gekürt worden zu sein. Beides sind starke Frauen. Mit Margarethe Prüß, der Buchdruckerin im Straßburg des 16. Jahrhunderts, erzählt Weiß bei aller akribischen Recherche auch eine leidenschaftliche Geschichte der Bibliophilie.

Wer beim historischen Roman nur an schwülstige Liebschaften mit fragwürdig recherchierten Fakten denkt, ist bei Sabine Weiß falsch. Zu Luther und der Reformationszeit purzeln die Details nur so aus ihrem Mund. Für den Laien fast schon verwirrend. "Spannend finde ich stets die Querverbindungen im historischen Roman. Haben die sich auch gekannt, oder die Frage, wann hat denn Margarethe Prüß das erste Mal Luther in ihrer Druckerei gedruckt?"

Dass Margarethe Prüß in dieser Zeit gesellschaftlicher Umwälzung auf der Seite der Protestanten stand, ist für die Autorin klar: "Sie war tolerant, nie fanatisch", sagt sie über ihre Heldin fast wie über eine Bekannte. Die Reformationszeit liefert also die ergiebige Kulisse für die Geschichte einer Frau, die eine Druckerei gegen den Willen der männlichen Zünfte geerbt hat und sich zu behaupten hat: Probleme mit der Zensur, Nacht-und-Nebel-Druckaktionen sowie Bücher, die bei Einbruch der Dunkelheit aus den Stadtmauern geschmuggelt werden, befeuern die Dramaturgie. Und natürlich ein Mann, der die Frau lieber im Heim sähe.

Sabine Weiß hat eine schwarze Mappe mitgebracht, die sie auch zu Lesungen mitnimmt. Unter Hochglanzfolie liegen hier ihre Recherchedokumente, Fotos von den Schauplätzen, Abbildungen zur frühen Zeit der Buchdruckerkunst, Druckdokumente aus dem Hause Prüß. Weiß und ihre Lektorin sind dabei stets ein penibles Team: "Sie fand beispielsweise heraus, dass zu der Zeit Stricken absolut selten und eine Männertätigkeit war. Es gab sogar eine männliche Strickerzunft. Quasi die Avantgarde. Also musste die strickende Tante aus einer Szene wieder verschwinden." Dass eine Romanfigur einen auch in der Gegenwart berühren kann, erfuhr Weiß auch: Ein Messbuch aus der Druckerei Prüß begegnete ihr in der Staatsbibliothek in Hamburg. Ergreifend. Margarethe hatte es wahrscheinlich in Händen - vor 500 Jahren - und ohne Handschuhe.

Sabine Weiß liest am 1. Oktober (19.30 Uhr) im Heimathaus Jesteburg aus "Die Buchdruckerin".