Kutscherin Anke Spiwek bringt in der Saison täglich Touristen durch die blühende Heide

Schneverdingen. Brav ziehen die schwarzen Pferde die kleine Kutsche den Sandweg entlang, ringsherum blüht die Heide in kräftigem Lila, und wohl genährte Heidschnucken begleiten blökend die gemütliche Fahrt. Szenen wie diese wollen Touristen erleben, diese Bilder gehören zum wohlbekannten Heideklischee einfach dazu, doch wie real ist das Idyll? Eine Fahrt mit der Heidekutsche gibt Antworten.

Anke Spiwek, 45, steht in der Hauptsaison fast täglich mit ihrer Kutsche auf dem reservierten Parkplatz am Schneverdinger Rathaus. In dieser Jahreszeit muss sie meist nicht lange warten, bis genügend Fahrgäste da sind. Sieben Passagiere sind Minimum, sonst lohnt sich die Tour nicht. Jeder zahlt sechs Euro für die einstündige Fahrt zu den Heideflächen am Höpen und zurück. Doch auch längere Touren können gebucht werden - eineinhalb, zwei oder drei Stunden, je nach Wunsch. Mit oder ohne Verpflegung - Butterkuchen, Erbsensuppe, Bier und Heidegeist sind als Stärkung beliebt.

Doch vor dem Picknick in idyllischer Heidelandschaft rollt die Kutsche mit den beiden Friesenpferden Laslo und Renan erst einmal durch die Schulstraße Richtung Höpen. Unterwegs erzählt Anke Spiwek über das alte Schneverdingen, die noch erhaltenen Reetdachhäuser und über die hölzernen Niedersachsenpferde an den Hausgiebeln. Am sorgfältig gepflegten Heidegarten mit seinem Aussichtsturm vorbei führt die geruhsame Fahrt, hier sehen die Ausflügler erstmals die kräftig blühende Heide und sind begeistert von der Vielfalt der Farben.

Das Klischee von den älteren Herrschaften, die die gemütlichen Kutschfahrten genießen, lässt Anke Spiwek nicht gelten: "Gerade viele junge Familien fahren mit der Kutsche." Den Kutschbock mit den kraftvollen Vierbeinern vor und den Touristen hinter sich hat die gebürtige Heidjerin gegen ihre frühere Arbeit im Altenheim eingetauscht. Dort habe sie wegen der genau vorgeschriebenen Arbeitsabläufe viel zu wenig Zeit für die alten Menschen gehabt, heute hat sie Zeit, den Fahrgästen die Schönheiten der Heide zu erklären.

"Das Schöne an dem Job ist, dass alle entspannt sind, die meisten Fahrgäste sind Urlauber", sagt Anke Spiwek, die selbst ein Pferd besitzt und ihr "Hobby zum Beruf" gemacht hat. Nur selten sei jemand dabei, der "nörgelt, weil er meint, er habe nicht genug Heide gesehen".

Mehr Grund zum Ärgern bieten die Begegnungen mit anderen Verkehrsteilnehmern. Richtig schnell ist eine solche Kutsche selten, Radfahrer überholen mit Leichtigkeit, und "ich kann damit nicht geblitzt werden". Doch bei Autofahrern mangele es häufig an Rücksichtnahme. Anke Spiwek: "Wir werden unterschätzt, uns wird oft die Vorfahrt genommen." Ihre Bitte an die Autofahrer: "Nur dann überholen, wenn wirklich genug Platz ist." Damit die Kutschen mit den Fahrgästen stets sicher unterwegs sind, ist ein spezieller Führerschein Pflicht, der Kutscher muss sein Können in einer praktischen Prüfung nachweisen. Anke Spiwek: "Wir müssen wissen, wie ein Pferd tickt."

Am Ende des Arbeitstages geht es zurück nach Zahrensen zum Kutschbetrieb von Ankes Chef Klaus Meyer. Wenn sie Pech hat, muss sie gleich noch mal im VW-Bus mit Eimer, Besen und Schaufel los: Der Kutscher, der zuerst wieder da ist, muss Pferdeäpfel einsammeln und die Straßen Schneverdingens von der duftenden Hinterlassenschaft der Rösser reinigen.