Lübberstedt. Integration ist derzeit eines der zentralen Themen im Lande. Als die Mittelstands- und Wirtschaftsvereinigung der CDU/CSU (MIT), Kreisverband Harburg-Land, ihren "Parlamentarischen Abend am Grill" im Schüttenhof in Lübberstedt plante, konnte sie noch nicht ahnen, dass ein Sozialdemokrat und Bundesbankvorstand namens Thilo Sarrazin ein Buch mit dem Titel "Deutschland schafft sich ab" auf den Markt bringen würde. Seitdem diskutieren die Menschen von Flensburg bis Passau darüber, ob die Integration der rund sieben Millionen Ausländer in Deutschland gelungen ist oder nicht.

Ihre Eltern kamen in den 60er-Jahren aus Ankara nach Hamburg

Der "Abend am Grill" sollte sich zu einem hoch aktuellen Treffen christdemokratischer Unternehmer und Entscheidungsträger entwickeln, denn Hauptrednerin des Abends war keine Geringere als die niedersächsische Ministerin für Soziales, Frauen, Familie, Gesundheit und Integration: die Christdemokratin Aygül Özkan, 39.

Frau Özkan ist die erste Muslimin in einem deutschen Ministeramt und gleichzeitig Deutschlands erste türkischstämmige Ministerin. Ihre Eltern kamen in den 1960er-Jahren von Ankara nach Hamburg. Ihr Vater machte sich nach fünf Jahren als Gastarbeiter bei der Deutschen Bundespost mit einer Schneiderei selbstständig. Aygül Özkan ist mit einem türkischstämmigen Frauenarzt verheiratet; ihren Sohn erzieht sie zweisprachig und bikulturell.

"Mein Vater hat mich mit drei Jahren in die Kita geschickt", sagte die Ministerin - sie hat ihr Abitur auf dem Gymnasium ALLEE in Altona gemacht und entschied sich mit 18 Jahren für die deutsche Staatsangehörigkeit.

"Als meine Eltern als Gastarbeiter angeworben wurden, gab es keinen Druck, die deutsche Sprache zu lernen", sagte Aygül Özkan. "Heute ist das eine Bringschuld."

Der Schlüssel für Bildung und Erfolg sei heute der Erwerb der deutschen Sprache, sagte die Ministerin. Niedersachsen gebe 80 Millionen Euro für die Integration aus - davon 55 Millionen für Bildung und Sprachkurse. Kinder mit Sprachproblemen müssten frühzeitig in den Kindergarten kommen - dies sei aber ein "milieuspezifisches Problem" und betreffe auch Kinder deutscher Eltern.

Auf der Homepage der niedersächsischen Integrationsbeauftragten heißt es zum Thema "Integrationskurse": "Sprache ist ein Schlüssel für erfolgreiche Integration. In Deutschland bekommen Zuwanderer im Rahmen des Integrationskurses Sprachunterricht. Das Ziel: Migranten sollen sich im Alltag verständigen können und so der deutschen Gesellschaft näher kommen. Der zweite Bestandteil des Integrationskurses ist der sogenannte Orientierungskurs. Darin stehen die deutsche Kultur, das Rechtssystem und die Werteordnung im Vordergrund."

Noch gibt es Diskriminierung auf dem Arbeitsmarkt

Die Ministerin mahnte indes an, "dass wir noch immer eine Diskriminierung auf dem Arbeitsmarkt haben. Wir müssen uns selbst an die Nase fassen: Wenn wir die Bewerbungsunterlagen auf dem Tisch haben, schauen wir auf das Aussehen und den Namen".

Die Ministerin endete ihre Rede vor den rund 120 Gästen mit drei Forderungen: "Wir müssen Menschen mit Migrationshintergrund zeigen, dass es sich lohnt, in Deutschland zu leben und sich anzustrengen. Wir müssen sie dazu motivieren, die Zukunft gemeinsam mit uns zu gestalten. Und wir brauchen eine gezielte, fest gelegte Zuwanderung von Arbeitskräften."

Letzteren Aspekt verdeutlichte noch prägnanter als die Ministerin der MIT-Bundesvorsitzende Dr. Josef Scharmann, 70. "Wir brauchen in Deutschland eine qualifizierte Einwanderung", sagte der Christdemokrat, "dazu zwingt uns die demografische Entwicklung. Wir brauchen leistungswillige Migranten, wir brauchen eine positive Migrationsbilanz. Deshalb müssen wir zusehen, dass wir die leistungswilligen Migranten nicht ans Ausland verlieren. Zu viele qualifizierte Menschen verlassen derzeit Deutschland, weil es bei uns zu viel Regelung, zu viel Enge, zu viel Bürokratie gibt und zu wenig Aufstiegschancen."

Ein Teil der Einwanderer, sagte Scharmann, sei in die sozialen Sicherungssysteme des Landes "gewandert - dies ist aber kein spezielles Integrationsproblem", sondern betreffe deutsche wie ausländische Bezieher von Sozialleistungen.