Nach Angriffen auf Beamte in Winsen schlägt Polizei andere Organisation vor

Winsen. Es sollte ein lustiger Abend werden, auf den sich Julian, Helena und die anderen angehenden Abiturienten lange gefreut hatten. Am vergangenen Freitag wollten die Schüler des Gymnasiums Winsen in der Stadthalle ihre "Vor-Abi-Party" feiern - ausgelassen, friedlich. Doch es kam, wie berichtet, anders.

0.35 Uhr: Polizisten verweisen einen betrunkenen Jugendlichen vom Partygelände vor der Stadthalle. Der 17-Jährige schlägt einem Beamten mit der Faust ins Gesicht.

1.45 Uhr: Ein 19-Jähriger randaliert im Eingangsbereich der Stadthalle. Polizisten versuchen ihn zu beruhigen. Plötzlich greifen fünf Jugendliche die Beamten von hinten an. Einer der Täter drischt mit einem "Totschläger" auf einen Polizisten ein. Sein 52 Jahre alter Kollege wird kurze Zeit später von den Tätern vor der Halle gegen ein Verkehrsschild geschleudert. Die traurige Bilanz: Drei Polizeibeamte wurden zum Teil mit schweren Gesichtsverletzungen ins Krankenhaus eingeliefert, gegen 22 aggressive Jugendliche wurden Platzverweise ausgesprochen. Zwei Jugendliche mussten ärztlich behandelt werden. Auf den umliegenden Grundstücken wurden Gartenzäune zerstört, Autoscheiben wurden eingeschlagen. Geschätzter Sachschaden: 2 000 Euro.

"Auf diesen Vor-Abi-Partys gab es in den letzten Jahren immer wieder Probleme. Das ist grundsätzlich nichts Neues", so Michael Zidorn, Leiter des Einsatz- und Streifendienstes beim Polizeikommissariat Winsen. Die stetig wachsende Gewaltbereitschaft gegenüber Polizisten schon - und das nicht nur in einer Metropole wie Hamburg sondern auch in der 35 000-Einwohner-Stadt Winsen.

Zwei der verletzten Beamten sind am Montag wieder zum Dienst erschienen. Das dritte Opfer wird noch wochenlang dienstunfähig sein. Den Beamten plagen eine große Platzwunde im Gesicht und drei beschädigte Zähne. "Diese Gangart gegenüber Einsatzkräften ist einfach zu hart", so der Kommissariatsleiter. Die Betroffenheit unter den Kollegen ist groß.

"Dabei sind die vermeintlichen Täter keine Schüler des Gymnasiums - sie waren bereits im Vorfeld polizeibekannt", so Michael Zidorn. Doch diese gewaltbereiten Jugendlichen von den Partys fern zu halten, ist keine leichte Aufgabe. Vielmehr müssen die Feste anders organisiert werden, sagt der Einsatzleiter. So stelle sich die Frage, ob sie besser an einen Ort verlegt werden sollten, der nicht in der Innenstadt, in der Nähe des Bahnhofes liegt. Die Folge: Sie wären nicht mehr so leicht erreichbar und Anwohner würden weniger belästigt. Michael Zidorn: "Ausgerechnet diese Großveranstaltungen mit 800 bis 1000 Gästen werden von Schülern veranstaltet. Die jungen Leute sind verständlicher Weise oft überfordert." Ein geschultes Veranstaltungsteam aus Theken- und Kassenkräften hätte viele brenzlige Situationen besser im Griff, ist sich der Kommissariatsleiter sicher.

Julian Nehmann, 19, und Helena Neven, 17, haben sich nicht überfordert gefühlt - sagen sie. Die beiden Schüler leiteten das Party-Veranstaltungskomitee. Sie bedauern sehr, was passiert ist. "Aber wir haben alles getan, was zu tun ist", sagt Julian Nehmann. Im Vorfeld haben sie sich mit Vertretern der Stadt und der Polizei zusammengesetzt, dabei wurden alle wichtigen Regeln besprochen: Kein Ausschank von Alkohol an Minderjährige und stark Alkoholisierte. Wer die Party verlässt und wieder besuchen möchte, muss ein Euro zahlen. "Wir haben sogar die Sicherheitsfirma beauftragt, die uns die Polizei empfohlen hat", so Julian Nehmann.

"Ich denke auch, dass man hier zwei Sachverhalte nicht vermischen darf", sagt Christian Riech, erster Stadtrat in Winsen. Der eine betreffe die ordnungsgemäße Durchführung der Veranstaltung, der andere die Übergriffe auf Polizeibeamte. "Solche Vorfälle können durch organisatorische Maßnahmen nicht verhindert werden", ist sich Christian Riech sicher. Andererseits stehe man mit der Polizei in einem ständigen Dialog. "So haben wir in den letzten Jahren festgelegt, dass die Partys gegen 3 Uhr enden, Glas-Flaschen wurden durch Plastikbecher ersetzt." Auch nach dieser Party werde man sich zusammensetzen. "Die Verantwortlichen gehören mit aller Konsequenz bestraft. Was da passiert ist, sind keine Kavaliersdelikte, sondern verwerfliche Straftaten", so die Stadtverwaltung.

Kommissariatsleiter Zidorn wertet die gestiegene Gewaltbereitschaft gegenüber Polizisten als gesellschaftliches Problem. "Vielen Kindern und Jugendlichen wird kein Respekt mehr vor Autoritäten vermittelt, sie kennen keine Grenzen und Werte. Das ist auch in einigen Winsener Familien der Fall."