Emil Bölling zeigt ein spektakuläres Fahrzeugmuseum in Sittensen, entstanden aus zwei Privatsammlungen

Unser Museum müsste noch viel bekannter werden", wünscht sich Emil Bölling. Der gebürtige Rheinländer ist mit schweren Maschinen aus längst vergangenen Epochen per du - zu sehen ist die spektakuläre Sammlung deutscher Transportgeschichte in einem Gewerbegebiet in Sittensen. Hanomag, Henschel, Krupp und Büssing, Saurer, Faun und Goliath, MAN, Magirus und Mercedes - vertreten sind große Marken, deren Laster einst zum Straßenbild gehörten, von denen heute aber viele nicht mehr existieren.

Emil Bölling ist ein Mensch, der zu seinen Lastern steht - und das von Kindesbeinen an. Schon als Junge verbrachte er die Zeit lieber im Fahrerhaus eines Lkw als im Kindergarten. Heute ist Bölling 78 Jahre alt und mehr denn je mit seinen Lastern verbunden: Als Museumschef und Vorsitzender des Förderkreises leitet er das "Mobile Fahrzeugmuseum" in Sittensen.

Historische Lastwagen und Baumaschinen stehen im Mittelpunkt

Seit drei Jahren ist das Museum für die Öffentlichkeit zugänglich - vorher konnten nur Gruppen mit Voranmeldung die einzigartige Sammlung besichtigen, die gegenwärtig rund 100 Exponate umfasst. Den Schwerpunkt bilden die Schwergewichte: Historische Lastwagen und Baumaschinen, dazu kommen noch einige Personenwagen. Nicht alle Stücke können gleichzeitig ausgestellt werden. Zuhause ist die Sammlung seit einigen Jahren in einer Halle mit Außengelände im Gewerbegebiet am Ortsausgang Richtung Zeven.

An den Öffnungstagen des Museums wird der Außenbereich schon mal zum Abenteuerspielplatz für Erwachsene. Wenn die historischen Baumaschinen im Einsatz sind, fühlt man sich auf eine Baustelle versetzt, mit Raupen, Radladern, Walzen und Kippern - hier dürfen sich auch die Besucher mal als Fahrer versuchen. Auch Feuerwehrfans kommen auf ihre Kosten: Löschfahrzeuge und Drehleitern sind zu sehen, darunter als echter Exot ein American LaFrance von 1934 mit viel Chrom und Sitzbänken unter freiem Himmel für die mitfahrenden Feuerwehrleute.

Das Museum gehört zu alga, einem der europaweit größten Unternehmen im Nutzfahrzeug- und Baumaschinenhandel mit Sitz in Sittensen. Entstanden ist es aus der Zusammenlegung der privaten Sammlungen von alga-Chef Horst Gaßmann und von Emil Bölling vor zwölf Jahren. Bölling, ein renommierter Kenner der Alt-Lastwagen-Szene und Buchautor, hatte 40 Jahre lang das eigene Tiefbauunternehmen in Castrop-Rauxel geleitet und - wie Horst Gaßmann - nebenbei begonnen, historische Nutzfahrzeuge zu sammeln und zu erhalten.

Viele der Exponate haben ihre eigene Geschichte - wie die von "Ernst". So wurde der erste Lkw genannt, den Vater Bölling 1936 für sein Fuhrunternehmen in Castrop-Rauxel angeschafft hatte. Der Mercedes L 6500 wurde für den kleinen Emil zum zweiten Zuhause, den Kindergarten ließ er Kindergarten sein, viel interessanter war der elegante Lastwagen, der Junge schlief sogar nachts im Fahrerhaus.

Der Zweite Weltkrieg entzweite dann Emil und "Ernst", der Laster wurde zum Kriegseinsatz requiriert und rückte mit der Wehrmacht in Polen ein. Emil Bölling hat ihn nie mehr wiedergesehen, aber die alte Liebe rostete nicht. Irgendwann begann die Suche, 1986 schließlich wurde Emil Bölling fündig. In Österreich stand noch ein L 6500 wie "Ernst". Der marode Mercedes wurde ins Ruhrgebiet geholt und aufwendig restauriert - heute gehört der graue Riese zu Böllings Lieblingen.

Auch der Büssing-Möbeltransporter von 1930 zählt dazu, der heute noch seine 100 Sachen läuft und schon so manch modernen "Kollegen" auf der Autobahn abgehängt hat. Viele weitere Raritäten bereichern die Sammlung, die laut Emil Bölling "in Deutschland einmalig ist". Besonders Lastwagen aus der Vorkriegs- und Kriegszeit gebe es anderswo kaum zu sehen. Doch auch das deutsche Wirtschaftswunder ist im Museum greifbar - dokumentiert anhand von Fahrzeugen aller Größen und Einsatzzwecke. Das Goliath-Dreirad für den aufstrebenden Handwerker mit seinen 15 PS stammt ebenso von 1954 wie der große Magirus-Deutz einer Wuppertaler Spedition mit 175 PS.

Der Elektrotransporter von 1912 schafft zwölf km/h Spitze

Heute in aller Munde, doch eigentlich ein alter Hut ist das Thema Elektromobilität. Während gegenwärtig alle großen Autohersteller strombetriebene Modelle entwickeln, um die Ökobilanz zu verbessern, gab es die rollenden "Stromer" schon in der Anfangszeit des Automobils. In Sittensen zu sehen ist ein Elektrotransporter von Hansa-Lloyd, Baujahr 1923, zwölf Stundenkilometer "schnell" und mit einer Reichweite von gut 50 Kilometern.

Die meisten Exponate sind fahrfähig und werden regelmäßig bewegt, doch es gibt auch Ausnahmen. So sind einige Fahrzeuge noch nicht restauriert, andere sind derzeit in Arbeit. Dabei wirken nicht nur erfahrene Lkw-Kenner tatkräftig mit, sondern auch die jüngsten Mitarbeiter der Firma alga, die einen Teil ihrer Ausbildung im Museum absolvieren. Damit die Sammlung historischer Nutzfahrzeuge erhalten bleiben kann, wünschen sich die Initiatoren mehr Besucher - bislang sind es bis zu 150 pro Öffnungstag - und staatliche Unterstützung. Der ehemalige Ministerpräsident Christian Wulff hätte die Bereitschaft dazu signalisiert und ein Konzept erbeten, sagt Bölling, doch dann kam Wulffs Wahl zum Bundespräsidenten dazwischen.

www.mobiles-fahrzeugmuseum.de