Die neunte Kunstwoche mit Sigmar Gabriel als Schirmherren gibt sich energiegeladen

Jesteburg. Stimmungsvoll und besinnlich geht es in Jesteburg zur Dämmerung zu. Pünktlich ab 19 Uhr beginnt der Heideort in einem Spektrum von gelb über rot bis hin zu gleißendem grün zu erglimmen. Heimathaus, Baumwipfel und Hauptstraße leuchten erst dezent, dann schicken sie ihre Strahlen leuchtend farbig in die Nacht hinaus: Die Akzente hatte der Lichtkünstler Peter Vogel gesetzt. Zur Jesteburger Kunstwoche, die jetzt eröffnet wurde, gewinnt seine Lichtinstallation dem Ort 20 unterschiedliche Farbschattierungen ab.

Auch in der Kunststätte Bossard in Jesteburg Lüllau ist die Lichtkunst Trumpf. Die Künstlerin Claudia Wissmann verleiht im Rahmen der Kunstwoche mit ihrer Lichtarbeit dem Eddasaal atemberaubende Konturen aus Licht und Schatten. Um 23 Uhr verlöschen die Lichtinstallationen wieder.

All das hat einen Grund, denn die Kunstwoche steht dieses Jahr ganz im Zeichen der Energie. Passenderweise wurde als Schirmherr in diesem Jahr dann auch der ehemalige Bundesminister für Umwelt, der heutige SPD-Parteichef Sigmar Gabriel gewonnen.

Künstler haben ihre kreative Energie über dem Heideort wie ein Magnetfeld ausgebreitet und trotzen dem Thema in Bildern, Installationen, Objekten, Skulpturen und Videoarbeiten eine Woche verschiedene Aspekte ab.

Energie als Thema zwischen Leben und Tod, die Energielosigkeit am Ende eines ausgemusterten Arbeitslebens (in einem eindringlichen Film von Michael Heuer), aber auch Energie in einem abstrakten, farblich expressiven Verhältnis und als räumliche Bildspannung, wie in den großformatigen Acrylbildern der jungen Künstlerin Anna Monika Bernard im Jesteburger Kunsthaus.

Schaut man sich die verschiedenen Bearbeitungen an, so ist kreativer Konsens, dass Energie sich nicht aufhebt, sondern ihre Zustände wandelt. Spannend sind die verschiedenen Medien: Es gibt getanzte Eigenenergie zu sehen, wie in dem Tanzbild von Albrecht Fersch, das in einer Performance im Heimathaus entstand. Oder Energie im Sinne von Umwandlung wie in der Farbinstallation von Patrick Luetzelschwab oder Energie als Merkmal dynamischer Formen wie in den Skulpturen des 1979 geborenen Yves Rasch.

Genauso spannend präsentieren sich die Themenfelder, die die Kreativen ins Visier nehmen: Energie als Beziehungsaspekt, als Inspiration oder gar Einsteinsche Erleuchtung (bei Peter Döhle), Energie als Thema in Umweltschutz und Nachhaltigkeit wie in den Collagen von Ursula Blancke Dau, Energie als Schwingung oder Transformation im chemischen (Carlos Roberto Franco) oder gar elektromagnetischen Sinne, Energie als Merkmal der Formkraft des Windes (in den Skulpturen von Siobhan Tarr), um nur einige Akzente zu nennen.

Dass Angst wiederum Energie blockiert, stellt der Künstler Steffen Plorin in seinen spannungsgeladenen Arbeiten hervorragend heraus. Karin Klesper, Initiatorin und künstlerische Leiterin der Kunstwoche, hat die Kunstwoche geschickt kuratiert und medienübergreifend für eine Mischung aus bekannteren lokalen Positionen (wie die von Petra Hagedorn, Karsten Schmidt und Leonard Te Nyenhuis), aber auch jüngeren Künstlern wie Sandra Schier, die Gruppe Salience Project, die mit Video- und Toninstallationen arbeitet oder Annika Hippler gesorgt.

Unterstützt wurde sie dabei von dem Künstler Andreas Ole Ohlendorff, dem letztjährigen Träger des Kulturpreises des Landkreises Harburg, der selbst auch Bilder bei Kuhn & Witte ausstellte.

Hinter der 1996 aus einer Privatinitiative entstandenen Kunstwoche steht die Idee, die Kunst ohne Hemmschwellen zu den Menschen zu tragen, den Ort Jesteburg zum Schauplatz der Kunst, zur Großraumgalerie zu wandeln.

Seit 2000 hat diese Verpflichtung der Trägerverein der Kunstwoche Jesteburg übernommen. Außer dem unter künstlerischen Wirkungsgesichtspunkten spannendem Thema der Energie, das auch die Wirkdimension von Artefakten auf den Betrachter anspricht, hat das Kunstevent Themen wie Fusionen, Luxus, Stille, Romantik, Heimat und viele mehr beackert.

Die Arbeiten der 60 ausgewählten Künstler sind täglich im Heimathaus, der Malschule Dinter, im Kunsthaus, in der Apotheke, in der Sparkasse Harburg-Buxtehude, der Volksbank, in der St-Martins-Kirche und in vielen Geschäften täglich zwischen 11 und 18 Uhr als ästhetisches Kraftfeld zu erleben (abendliche Lichtinstallation täglich von 19 bis 23 Uhr).

Auch ein Blick auf den kleinen Jesteburger Pastorenteich lohnt, wo ein leuchtendes schwimmendes Objekt, eine Art zerbrochene Sonnenscheibe von Künstler Egidius Knops treibt und esoterische Energie auch des Nachts verbreitet. Ein bisschen Energie verlangt all das dem Besucher ab. Am Ende der Kunstwoche Jesteburg wird ein Preis für die beste Arbeit ausgelobt. Überreicht wird er am 11. September durch den Schirmherren Sigmar Gabriel (im Kunsthaus Jesteburg, 14.30 Uhr). Dotiert ist der Jesteburger Kunstpreis mit 2500 Euro.