Unser Restauranttest führt heute zu Wirten aus dem sonnigen Süden

Die Ferien sind vorbei. Der Alltag ist wieder eingekehrt. Da hilft nur eins: Ausgehen. Dort, wo Urlaubsgefühle verlängert werden, beim Italiener um die Ecke. Wir haben gleich acht Mal ihre Gastfreundschaft probiert.

Da Bujo

"Buona sera signora!". Keiner beherrscht die Charmeoffensive am Gast so gekonnt wie Italiener. Vielleicht noch ein Küsschen für die Damen. Die große Geste kommt an. Sie ist eher laut als leise und klingt immer so, als ob man schon seit Ewigkeiten nur hier Pizza und Pasta bestellt.

Bei Bujo Merdanaj ist das erst seit knapp zwei Jahren möglich. Der Mann aus Albanien hat einen italienischen Vater, ist in Apulien aufgewachsen und wohnt seit 20 Jahren in Stade. Sein Ristorante hat 2008 an vermeintlich ungünstiger Stelle eröffnet: im ersten Stock des früheren Möbelhauses Jähnichen, direkt am Beginn, beziehungsweise Ende der Autobahn 26, weit weg von der Altstadt, also in touristenfreier Zone. Tagsüber geht Fernsehkoch Rainer Sass hier seinen Versicherungsgeschäften nach, in der Kfz-Zulassungsstelle verteilen Mitarbeiter Nummernschilder und abends wird unten im Fitnessstudio geschwitzt. Eine sexy Lage sieht anders auch.

Gleichwohl scheint sich wieder zu bewahrheiten: Qualität spricht sich rum. Freunde klassischer italienischer Küche lassen sich von einem grauen Bürokomplex nicht abschrecken. Zumal Bujos Einrichtungskonzept drinnen umso geschmackvoller daherkommt. Eingedeckt wird in Bordeaux-Beige - mit Stil und Stoffservietten. Gehoben auch die Speisen.

Etwas in die Jahre gekommene Antipasti wie eingelegte Paprika, Zucchini oder Pilze werden hier ersetzt durch "Antipasto da bujo", eine muntere Ansammlung von Schälchen für zwei Personen (17,50 Euro). Der kreative Teil: Taubenbrust mit Linsen, Jakobsmuscheln in Champagnersoße auf Chinakohl. Ordentlich: geräucherter Lachs auf Rucola, Scampi mit Knoblauch-Kirschtomaten. Unvermeidlich: Parmaschinken-Melone, Tomate-Mozzarella.

Auch die Zeit von Tortellini à la pana sei abgelaufen, sagt der Chef. Leicht, statt kräftig lautet sein Credo. Deswegen komme in seine Soßen keine Sahne mehr. Er gewinnt sie aus dem Garvorgang in der Pfanne, verfeinert mit Olivenöl, Salbei, Rosmarin, Basilikum, Thymian und Knoblauch. Die Hauptdarsteller werden fast täglich neu auf der Tafel notiert, die Kellnerin Brigitte Lühmann von einem Tisch zum nächsten transportiert. Wer nach dem Schälchenfestival noch Platz hat, dem sei die Fischlasagne in Safransoße (9 Euro) empfohlen oder eine Dorade Royal vom Grill (18,50 Euro). Und nach dem Espresso so sicher wie das Amen in der Kirche: ein herzliches "Arriverderci!"

Di Candele

"Wenn der Gast rausgeht und lacht, haben wir unser Ziel erreicht", findet Niko Nanos. Der gebürtige Grieche hat Vorfahren aus Sardinien, eine Frau namens Mariya (halb Bulgarin, halb Griechin) und lebt seit seinem fünften Lebensjahr in Hamburg. "Ich bin Europäer", sagt er und zeigt an sieben Tagen in der Woche, dass sich seine mediterrane Philosophie des Kochens nicht nach politischen Grenzen richtet.

Das kleine Restaurant ist der beste Beweis für Toleranz und Effizienz. Mariya Nanos stehen für die genussvolle Sättigung von 26 Gästen sieben Quadratmeter Küche zur Verfügung. Hier muss jeder Handgriff sitzen. Wenn's voll wird, und das ist meistens der Fall, hilft Sohn Theo im Service. Sie alle stammen aus einer alteingesessenen Gastro-Familie, die jahrelang am Hamburger Großneumarkt Gastfreundschaft pflegte. Das Di Candele grenzt an die Harburger Lämmertwiete, wirkt wie die Miniaturausgabe eines Restaurants und kann besonders nach Sonnenuntergang seine kuscheligen Vorzüge mit Kerzenlicht in Szene setzen.

Wo kein Platz ist, kann auch kein großes Warenlager sein. Niko Nanos geht täglich einkaufen - für vier bis fünf Hauptgerichte und die Pizzas. Sein Erfolgsrezept: "Oben saftig, unten dünn und knusprig. Die Kunst ist, den Teig vor dem Backen zwei Tage lang ruhen zu lassen." Mittlerweile darf er sogar die Gäste umliegender Schankwirtschaften mit Pizza beliefern. Die Stimmung sei gut unter den Kollegen, findet der europäische Gastwirt.

Was gibt's heute? Seitdem Krake Paul Spaniens Sieg über Deutschland quasi vorab orakelte, ist es an der Zeit, sich bei seinen Artgenossen zu revanchieren. Meine Vorhersage an den Service: Pulpo gegrillt auf Rucola mit Kräuter-Limettensoße. Damit es nicht nach Gummi schmeckt, kommt die Babykrake bereits am Vortag in einen Sud aus Rotwein, Kräutern und Zitrone, danach 24 Stunden ziehen lassen und ab auf den Grill. Köstlich!

Eine Art unmoralisches Angebot macht Ehepaar Nanos seinen Gästen in diesem Sommer: Fünf Gänge inklusive Prosecco für 24,50 Euro! Davon könne man zwar nicht leben, aber vielleicht neue Stammgäste gewinnen, sagen die beiden. Folgende Köstlichkeiten werden von Kerzenlicht erhellt: Jakobsmuscheln, Gnocchi, in den Hauptgängen Sesamlachs und Schweinefilet und als Dessert Melone mit Zimt-Portwein.

Il Gusto Italiano

Völlig neue Wege der Vermarktung beschreiten fünf italienische Gastronomen in Lüneburg. Sie lassen sich seit 2006 von einer Werbeagentur humorvoll in Szene setzen. Gaetano Orlando (Buona Sera), Alexander de Flaviis (La Trattoria), Felice di Pitrantonio (Vesuvio), Salvatore Vinci (Da Vinci) und Riccardo D'Arienzo (Italia) machen gemeinsame Sache und wurden dafür von "Bild" zu den "coolsten Italienern Norddeutschlands" gekürt.

Was war passiert? Fünf Gastwirte, die sich nicht als Konkurrenten fühlen, sondern Freunde sind, scheinen selten zu sein. Man spielt zusammen Karten, fährt in den Urlaub und fliegt schon mal spontan zur Weihnachtsfeier nach Paris - da kann man auch gemeinsam Werbung machen, dachte sich das Quintett. Der befreundete Werbeprofi Philipp Pahl entwickelte eine Kampagne, die so ganz anders ist, als man sie von Gastronomen erwartet. Sie lebt von Italienklischees und bietet einen hohen Spaßfaktor. Im Zentrum steht immer ein gemeinsames Fotoshooting mit den Lokal-Matadoren als Laienmodelle. Bereits das erste Motiv mit Mafiathema wurde zum Überraschungserfolg.

Ursprünglich nur für den Eigenbedarf produziert, entwickelten sich die dazugehörigen Poster und Postkarten zum Verkaufsschlager. Wände heimischer Büros und Wartezimmer wurden neu dekoriert. Der Kult um das Mafiamotiv brachte sogar Fanpost von Ex-Lüneburgern aus Kanada oder Australien samt ihrer fünf Mafiosi als Wandschmuck. Es folgten weitere witzige Aufnahmen: in der Rolle sizilianischer Bauernjungs oder Automechaniker.

Zur EM 2008 gab es kein Panini-, sondern ein Gustini-Sammelalbum mit den Gastronomen als vermeintliche Nationalspieler. Nach jedem Essen in einem der Ristorantes bekam man vom Koch persönlich die begehrten Sammelbilder. Danach setzten sie sich als schicke Schnösel in Szene - die Haare fotogen gegelt mit dem gemeinsam importierten Olivenöl. Geschmackvoll oder geschmacklos? Auf jeden Fall unterhaltsam. Eine Werbegemeinschaft als Gütesiegel. Italiener haben's gut. Die können die eine oder andere Schwäche mit ihrem Charme kompensieren. Das funktioniert auch im täglichen Zusammenspiel zwischen Küche und Gast. Als nächstes dürfen sich die Fans der fünf coolen Köche auf ein Carabinieri-Motiv im Stil der 1970er-Jahre freuen.