121 Jahre alter Hochseekutter “Landrath Küster“ zählt zu den Attraktionen der Sail 2010 in Bremerhaven

Finkenwerder. "Leinen los!" "Sind los!", hallt die Antwort über das Deck der "Landrath Küster", die von ihrem Liegeplatz im Kutterhafen in Finkenwerder Richtung Cuxhaven in See sticht. Der historische Kutter mit den zwei imposanten Holzmasten ist unterwegs zur Sail 2010 in Bremerhaven. Schon zum dritten Mal ist die "Landrath" bei diesem Traditionsschiffstreffen dabei. An Deck des 1889 gebauten Hochseekutters ist noch alles wie zu Zeiten des Stapellaufs, von den kalfaterten Decksplanken bis zu den handgenähten Segeln. Nur die Rettungsinseln und der 150-PS-Motor sind neu.

Während der Kutter auf der sonnigen Elbe an Blankenese vorbeizieht, erzählt Skipper Heinz-Hinrich Meyer aus der Geschichte des Schiffes.

Mit seinen 121 Jahren ist die "Landrath Küster" der mit Abstand älteste noch fahrende Finkenwerder Kutter. Zu seinen Bauzeiten fingen über 100 solcher Fahrzeuge in der Nordsee die begehrten Plattfische Steinbutt, Scholle und Seezunge, um den Bedarf der Hamburger an "Scholle Finkenwerder Art" und anderem Frischfisch zu decken. Die Kutter, die bis zu 14 Tage auf See blieben, hielten ihren Fang in der "Bünn" frisch, einem mit Seewasser gefüllten Becken in der Schiffsmitte, das durch Löcher im Schiffsboden mit frischem Wasser durchspült wurde. Gleichzeitig diente das Wasser als Ballast für die 21 Meter hohen Masten.

1970 wurde der Kutter nach Holland verkauft

Weder Stürme noch der Einsatz als Minensuchboot während des Zweiten Weltkrieges konnten der "Landrath" etwas anhaben. Nach Kriegsende wurde sie wieder als Fischkutter genutzt, allerdings umgerüstet als Motorschiff. 1970 dann das Aus: Der Kutter ist nicht rentabel genug, er wird ausgemustert und nach Holland verkauft, wo er bei schlechter Pflege unter einem Kunststoffüberzug langsam vor sich hin rottet. Grade noch rechtzeitig wird das Schiff entdeckt und von den Initiativen "Altonaer Jugendarbeit e.V." und "Jugend in Arbeit e.V." mühevoll restauriert. Heute fährt die "Landrath" wieder in originaler Aufmachung, unterhalten wird sie vom Verein "Freunde des Hochseekutters Landrath Küster e.V.", der 1997 gegründet wurde.

Heinz-Hinrich Meyer, der Vereinsvorsitzende, hat eine ganz besondere Beziehung zur "Landrath". In den 50er-Jahren erlernte er auf diesem Kutter die Hochseefischerei. Danach folgte eine Karriere als Seemann und Fischer, die er 1966 aus gesundheitlichen Gründen aufgeben musste. Heute fährt er wieder auf der "Landrath" als Kapitän - ehrenamtlich, wie auch die anderen vier Mannschaftsmitglieder.

Auf der Höhe von Glückstadt nimmt der Wind immer mehr zu. Wellen bauen sich auf, das Schiff hebt und senkt sich, Gischt spritzt über den Bug und durchnässt das Deck. Noch ist es sonnig, doch am Horizont drohen bereits dunkle Wolken. "Da kriegen wir noch eins auf die Mütze", sagt Gerd Pillip stirnrunzelnd. Und tatsächlich bekommt die fünfköpfige Besatzung noch allerhand zu tun: Bald schon schaukelt das Schiff bei Windstärke sechs durch Böen und Regenschauer. Ein Bolzen an der Fock löst sich, das schlackernde Segel muss eingeholt werden. Doch Meyer beruhigt: "Mit dem Schiff hat man früher auch Stürme von Windstärke 12 überstanden". Ganz normales Arbeitswetter sei so etwas für die Fischer gewesen. Tatsächlich ist das Schlimmste schnell überstanden, die "Landrath" schippert stetig auf Cuxhaven zu, wo die Mannschaft über Nacht Station machen wird. Am Steg gibt es erst einmal das obligatorische "Anlegerbier", bevor in der geräumigen Kajüte im Bug das Abendessen serviert wird. An den Wänden hängen Plaketten von Traditionsschiffstreffen und alte Fotos, die die Landrath in den 50ern beim Fischfang zeigen.

Besatzung freut sich schon auf die Besucher

In der gemütlichen Runde tauen die Männer auf und geben Geschichten aus alten Zeiten zum Besten. Viele der Vereinsmitglieder waren selbst einmal Fischer oder Seemänner. "Jetzt wissen Sie, warum die Decke so krumm ist, bei all dem Seemannsgarn", sagt Meyer gut gelaunt und zeigt auf die gebogenen Balken der Decke. Dann heißt es ab in die Koje, am nächsten Tag geht es um 6 Uhr früh weiter, um rechtzeitig bei der Einfahrt der Segler in Bremerhaven dabei zu sein.

Bis zum Sonntag, 28. August , kann man dort die "Landrath" noch bewundern. Am Sonnabend ist ein besonderer Programmpunkt geplant, wenn die "Landrath Küster" mit einer Sambagruppe an Bord durch den Hafen an den Großseglern vorbeifahren wird. An den anderen Tagen kann man beim "Open Ship" an Deck kommen und sich bei einem Schnaps einen Einblick in die Fischereigeschichte geben lassen.

Wer selbst einmal mitfahren oder mehr über die "Landrath" erfahren will, findet Informationen auf der Homepage des Vereins.

www.hf231.de/index.htm .