Die Buchholzer Adaptronics International entwickelt schwingungsfreie Systeme

Buchholz. Wer nicht gerade ein Luxusauto fährt, kennt das: Bei Tempo 150 ist das Hören von Nachrichten oder Musik im Radio nicht gerade angenehm. Es vibriert und brummt ganz ordentlich im Auto.

Das Auto der Zukunft soll mehr Komfort haben: Ein Testmodell, ein VW Golf, steht im Deutschen Luft- und Raumfahrtzentrum in Braunschweig. Startet der Motor, brummt der Wagen wie alle anderen Kleinwagen. Drückt man aber auf einen Knopf, verschwindet das Motorengeräusch beinahe vollständig. Im Auto der Zukunft soll intelligente Technik sogar ohne Knopfdruck ganz von allein Schwingungen reduzieren und die Geräuschentwicklung mindern.

Adaptronik heißt eine noch junge Wissenschaft, die selbst anpassende Systeme entwickelt, um die Welt von Lärm und störenden Schwingungen zu befreien. Die Adaptronik gilt als Zukunftstechnologie für den Maschinenbau, Flugzeugbau, Schiffsbau, die Automobilindustrie oder die Raumfahrt.

Zukunftsweisende Fortschritte in dieser Hochtechnologie könnten aus Buchholz in der Nordheide kommen. Hier im Gewerbegebiet, im Gründungs- und Innovationszentrum, hat seit kurzem das Unternehmen Adaptronics International GmbH seine Entwicklungsabteilung. Die junge Firma hat nicht weniger vor, als die Adaptronik aus dem Forschungsdasein in die industrielle Serienfertigung zu bringen. Das Land Niedersachsen fördert das Unternehmen.

Chef der Adaptronics International ist der Maschinenbauingenieur Harald Breitbach aus Hamburg. Der 44-Jährige ist kein Start-up-Hasardeur, sondern in der Branche bekannt. Er gilt als ausgezeichneter "Netzwerker". Ein Mann, der Kontakte pflegen und nutzen kann. Bei Airbus in Finkenwerder hat Harald Breitbach an intelligenten Systemen gegen den Lärm im Frachtraum des neuen Transporters A 400-M gearbeitet, bis er Anfang Juli die Geschäftsführung der Adaptronics International übernahm. Sein Vater, Elmar Breitbach, gilt als einer der Gründerväter der Adaptronik in Deutschland und ist Mitgeschäftsführer des jungen Unternehmens.

Gesellschafter der im November 2009 gegründeten Adaptronics International sind die b.e.c. Breitbach Engineering Consulting und der bekannte Maschinenbauer Avanco aus Herford. Ihren Hauptsitz hat das Hochtechnologieunternehmen in Hannoversch Münden, hier ist die Produktion angesiedelt.

Standort für die Entwicklung ist Buchholz. Schreibtische, ein paar Computerschirme darauf. Nichts deutet hier auf die Erfindung von Hochtechnologie für Jumbojets oder "intelligenten" Autos hin. Es könnten auch die Geschäftsräume einer Krankenkasse sein. Die Entwickler arbeiten an Simulationen am PC. Technik zum "Anfassen" wird es ab Oktober geben. Dann wird das Unternehmen sein Labor auf 80 Quadratmetern im Keller des Gründungszentrums einrichten. Zurzeit sind Harald Breitbach und zwei Mitarbeiter am Standort in Buchholz - insgesamt sieben sollen es einmal werden.

Harald Breitbach sieht sich als Pionier. Die Adaptronik in Deutschland ist zurzeit Sache der Forschungsabteilungen am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt oder den Fraunhofer-Instituten. "Der Markt ist sehr überschaubar", sagt der Ingenieur, "es gibt in Deutschland keine Firma, die adaptive Anwendungen zur industriellen Reife bringt." Noch sind nämlich die Kosten für adaptive Systeme relativ hoch und damit nicht für jede Branche geeignet. Firmen wie Adaptronics International müssen in der Regel nicht werben. Sie werden von Technologie-Scouts der Konzerne gefunden.

Warum der Standort in der Nordheide? Niedersachsen fördert das Unternehmen, deshalb bleibt es in dem Bundesland. Dabei sei die Nähe zu Hamburg und dem Flugzeugbauer Airbus sinnvoll. So fiel die Wahl auf Buchholz. Harald Breitbach macht auch kein Geheimnis daraus, dass er gerne in Hamburg lebt.

Die ersten Aufträge sind bereits da: Die Entwickler in Buchholz wollen die Leitungsfähigkeit einer Druckermaschine steigern, indem sie die Vibrationen in kritischen Drehzahlbereichen reduzieren. Adaptronics International entwickelt zudem verbesserte Antriebsstränge für die Autoindustrie. Airbus zeige sich interessiert, den Schlafkomfort von Stewardessen zu verbessern. Dazu müssen Schwingungen und Lärm im Flugzeug abgebaut werden.

Die Adaptronik gilt als Lösung für viele Branchen: Hubschrauber, sagt Harald Breitbach, könnten leiser sein. Züge komfortabler. Die Japaner setzen die Technologie ein, um erdbebensichere Häuser zu bauen.