Christel Wegener führt Besucher durch die Oldendorfer Totenstatt

Oldendorf. Stille liegt in der Luft. Über die knöchelhohen Heidebüsche zieht Nebel. "Was für ein mystischer Ort", flüstert eine Frau. Sie steht in einem Loch im Boden, das von sechs großen Findlingen eingerahmt wird. Christel Wegener nickt.

"Wir schreiben das Jahr 3700 vor Christus, in Südosteuropa werden die Nahrungsquellen knapp und die Menschen ziehen südwestwärts. Im fruchtbaren Luhe-Tal lassen sie sich nieder...", so oder so ähnlich beginnt die Gästeführerin ihre Vorträge, wenn sie mit einer Besuchergruppe in der Oldenburger Totenstatt unterwegs ist, ein etwa sieben Hektar großes Gelände, nördlich von Amelinghausen gelegen, im Tal der Luhe.

Jeden Mittwoch startet Christel Wegener ihre Führungen - auf Anfrage auch öfter. Treffpunkt ist das Archäologische Museum in Oldendorf. Dann beschreibt sie die Landschaft, die Geschichte ihrer Region und eben die der sagenumwobenen Totenstatt. "Historische Entwicklungen haben mich schon immer fasziniert", so die 65-Jährige. Langweilig wird ihr das nicht. "Mir macht es Spaß mit den Gruppen, die Menschen sind alle unterschiedlich", betont sie. "Obwohl - manchmal ärgere ich mich über die selbst ernannten Hobby-Archäologen. Die stellen oft so blöde Fragen." Aber damit habe sie gelernt umzugehen. "Ich antworte einfach genauso blöd", sagt die Oldendorferin, lacht und zieht den Reißverschluss ihrer roten Regenjacke hoch, fährt sich mit der Hand durch das kurze weiß-blonde Haar. Die Landfrau spricht schnell, sie hat viel zu erzählen.

Eigentlich ist Christel Wegener Bäuerin. 1983 übernahm sie mit ihrem Mann Hans-Herrmann den Familien-Betrieb, 50 Hektar bewirtschaftetes Land mit Sauenzucht. "Im Herbst Tag für Tag in der Scheune stehen und die Kartoffeln sortieren, das war hart und so dunkel wie unter Tage. Ich wollte raus, Menschen treffen."

Aber etwas anderes als die Landwirtschaft kam für sie nie in Frage - ihre Eltern wollten es so. Christel Wegener suchte die Abwechslung im Ehrenamt, wurde die Vorsitzende der Landfrauen Amelinghausen, später der Kreislandfrauen Lüneburg, Schöffin am Landgericht Lüneburg, Vorstandsmitglied der Kreisarbeitsgemeinschaft Ländliche Erwachsenenbildung sowie des Vereins RegioKult. "Außerdem habe ich Kurse in Ernährungslehre in der Grund- und Hauptschule gegeben", so Christel Wegener. Später bot sie Kochkurse an der Volkshochschule an.

1995 entschied sich das Ehepaar Wegener, den landwirtschaftlichen Betrieb aufzugeben und den Hof in mehrere Wohneinheiten aufzuteilen - und als Wohnungen zu vermieten. "Die Preise für Kartoffeln, Getreide und Schweinefleisch waren im Keller", erinnert sie sich. Damals machte sich Christel Wegener als Gästeführerin selbstständig. Der Ausbildung folgten Fortbildungen zur Archäologischen Führerin und anschließend zur Natur- und Landschaftsführerin. "So konnte ich auch Touren durch die Heide anbieten." Leben könnte sie von diesem Job nicht. Für eine einstündige Führung nimmt sie zwei Euro. "Manchmal sind es nur drei oder vier Teilnehmer. Kein guter Stundenlohn. Aber mir macht das einfach Spaß."

Auch daran, dass aus dem ehemaligen Haus des Schulmeisters, dem "Schemmes Hus" aus dem Jahr 1750, ein Museum wurde, war sie maßgeblich beteiligt. "Ich habe jeden Tag geschaut, wie weit der Umbau ist", erzählt Christel Wegener, die sich in den Vorstand des Vereins zur Förderung des Archäologischen Museums Oldendorf/Luhe e. V. wählen ließ. "Das Landesmuseum Hannover hat uns einen kleinen Teil der Fundstücke aus der Totenstatt für unsere Ausstellungsräume zur Verfügung gestellt, das war großartig", sagt Christel Wegener und kickt mit dem Wanderschuh einen Stein zur Seite.

Inzwischen hat sich die kleine Gruppe auf den Rückweg nach Oldendorf gemacht. Plötzlich bleibt die Gästeführerin stehen und schaut aufs Wasser. "Auf dem Grund des Flusses liegt ein Schatz", sagt sie und zeigt auf den Punkt, an dem die Lopau in die Luhe fließt. "Den kann man nur bei Vollmond in einer Silvesternacht bergen." Auch diese Sage gehört zu ihrem Programm.

Christel Wegener kann die Begeisterung der Touristen über die Schönheit ihrer Heimat verstehen. "Als Kinder haben wir in der Luhe schwimmen gelernt", erzählt die Landfrau. "Hinten bei der Mühle." Später ist sie mit ihrem Mann auf dem schmalen Weg am Wasser entlang spazieren gegangen. "Wir nannten ihn den Pfad der Verliebten, so romantisch war es hier."

Christel Wegener holt tief Luft und hält ihr Gesicht in die Frühlingssonne. Sie hätte gerne studiert, sagt sie. Vielleicht Geschichte oder Journalistik - aber ganz von hier weg gegen? "Auf keinen Fall. Es ist einfach ein tolles Fleckchen Erde."