Agnes Quast und ihre Familie betreiben eine der letzten Räuchereien im Alten Land

Neuenfelde. "Die Aufklärung fehlt", sagt Agnes Quast und schneidet eine feine Scheibe von der Mettwurst ab. "Die Leute denken, hochwertige Lebensmittel können sich viele nicht leisten. Aber das stimmt nicht. Man muss nur lernen, das Richtige einzukaufen und zuzubereiten."

Gute Ernährung - das Thema liegt der 55-Jährigen am Herzen. Zusammen mit ihrem Mann John führt sie das 125 Jahre alte Familienunternehmen "Altländer Fleisch- und Wurstwaren" in Hamburg-Neuenfelde. Von der Altländer Leinenmettwurst bis zum Zwiebelmett produzieren sie 15 verschiedene Sorten - zum Teil in Bioqualität. Ihre Kunden: Fleischerfachgeschäfte in der Umgebung und der Fleischgroßmarkt in Hamburg.

Der Geruch ist intensiv, er zieht übers Dach, die Treppe hinauf, durch die Flure. Wenn Agnes Quast eine Mettwurst oder Salami aus dem großen Vorratsraum holt, riecht sie von Kopf bis Fuß nach Lagerfeuer und den Kindheitserinnerungen ihrer Kunden. "Den Buchenrauch muss man abkönnen", sagt sie. "Er ist immer da." Anfangs habe sie das gestört. Damals, als sie zu ihrem Mann, dem Schlachtermeister, gezogen ist.

Sie selbst ist auf einem Obsthof aufgewachsen, nur drei Kilometer entfernt. "Wir waren drei Mädchen Zuhause, das war toll", erinnert sich Agnes Quast. So gab es keine typischen Jungs- und Mädchenaufgaben. "Wir haben auf dem Trecker gesessen, Obst gepflückt, genau wie die Söhne der Nachbarbauern." Geliebt habe sie diese Aufgaben. Den Hof übernahm trotzdem Gerlinde, ihre älteste Schwester - so wollte es die Tradition.

Agnes machte nach der Mittleren Reife eine Ausbildung zur Büroassistentin, besuchte anschließend die Fachoberschule für Wirtschaft und Verwaltung. Das war 1975.

1970 lernte sie John Quast kennen, auf einem Schützenfest. "Aber mit dem Heiraten und Familiegründen wollten wir uns Zeit lassen", erinnert sich Agnes Quast. 13 Jahre arbeitete sie im Einkauf der Schiffswerft Sietas, anschließend als Chefsekretärin in der Neuenfelder Maschinenfabrik. "Ich wollte erst einmal auf eigenen Füßen stehen", sagt die dreifache Mutter. Ihr Blick fällt auf die Familienfotos im Hausflur. Lachende Kinder auf bunten Blumenwiesen.

1986 kam ihre Tochter Désirée zur Welt, zwei Jahre Später ihr Sohn Jan-Eric, 1991 Stephan. Sie nahm sich Zeit für die Kinder - und ihr Hobby: Spinnen und Färben mit Pflanzenfarben. Agnes Quast streicht mit der Hand über einen Pullover. "Reine Handarbeit, vom Spinnen der Wolle bis zum Stricken", freut sie sich.

Bei schönem Wetter stellt sie ihr Spinnrad in den Hof. "In meiner Familie sind alle ganz verrückt nach Stricken." Gearbeitet hat sie in dieser Zeit nicht mehr. Damals führte ihr Schwiegervater das Familienunternehmen zusammen mit ihrem Mann.

Das änderte sich 2002. Als August Quast starb, übernahm seine Schwiegertochter die Verwaltung des Familienunternehmens: Rechnungen schreiben, Bestellungen annehmen, Finanzbuchhaltung. "Wenn richtig viel zu tun ist, helfe ich auch in der Produktion mit", betont die Altländerin. In der Vorweihnachtszeit ist das oft so. Dann zieht sie zum Beispiel in dem großen Lagerraum die Würste auf Holzstangen. Zu Hunderten hängen sie hier in Reih und Glied.

Verreisen, ans Meer oder in die Berge fahren, das gehe mit ihrem Betrieb nicht. "Früher habe ich das nicht verstanden", erinnert sich Agnes Quast. "Aber der Fleischgroßmarkt will beliefert werden, jeden Tag." Manchmal stehe ihr Mann zwei Mal in der Nacht auf, um nachzusehen, ob sich das Wetter geändert hat, er die Temperatur in der Räucherei neu regulieren muss. Das Geschäft mit der Wurst sei ein sensibles, sagt sie. Zum Ausgleich hat sich das Ehepaar ein Ferienhaus in Hollenstedt gekauft, zum Abschalten, Luft holen. Auf dem Nachbargrundstück weiden ihre 13 Heidschnucken und Mufflons. "Nachdem ich ein Kleines aufgezogen habe, kommt mir Lammfleisch nicht mehr ins Haus", sagt Agnes Quast bestimmt.

Über die Entwicklung, dass Lebensmittel immer günstiger werden, ärgert sie sich sehr. "Früher gab es im Alten Land rund 20 Räuchereien, heute sind wir zu dritt", so die Geschäftsfrau. "Discounter drücken die Preise bis in den Keller." Sie setze auf Qualität und die habe ihren Preis. Dass viele in der nachfolgenden Generation das ähnlich sehen, freut sie sehr.

"Unser Sohn Jan-Eric möchte bald in das Unternehmen mit einsteigen. Er hat schon viele gute Ideen." Dann können Agnes und John Quast auch wieder gemeinsam Urlaub machen. Vielleicht in Dänemark oder Schweden. "Dorthin sind wir früher so gerne gefahren, als die Kinder noch klein waren."