Abendstimmung in einem Kutterhafen an der Nordseeküste. Im sanften Licht ineinander fließender Rot- und Blautöne, liegen die Kutter wie gemalt am Kai.

Ich atme tief den maritimen Duft von Salzwasser, Teer und trockenen Netzen ein. Das kenne ich aus einem anderen Leben, und ich muss schon sagen: Der Wiedererkennungswert ist groß.

Ein kleines Küstenfischer-Boot tuckert heran. Der Mann an der Steuerpinne schaltet den Motor aus, und das Boot treibt langsam auf die Kaimauer zu. Der Fischer greift nach einem Tampen und wirft das Ende in Richtung eines Pollers. Er will die Schlaufe am Ende des Tampens - das gespleißte Auge - über den Poller werfen, um das Boot an die Kaimauer zu ziehen.

Doch er wirft daneben. Ich strecke den Arm aus, als Zeichen, dass ich den Tampen fangen und das Auge über den Poller legen könne. Er schüttelt freundlich den Kopf und zeigt auf den Poller. "Der läuft nicht weg. Keine Hektik", sagt er. Beim zweiten Wurf trifft er den Poller und zieht das Boot an die Kaimauer. Er schiebt die Mütze in den Nacken und nickt mir zu. "Das läuft nicht weg", ist ein typisch norddeutscher Spruch, voller zuversichtlicher Gelassenheit, der zur Geduld auffordert. Er ist fast schon so etwas wie eine Lebensphilosophie.

Der Ausspruch "Das läuft nicht weg" will uns beruhigen, wenn wir glauben, etwas verpassen zu können, eine Chance oder gar unser Glück. Dieser Satz will uns sagen, dass es selten zu spät für irgendetwas ist.

Aber der Fischer weiß ja nicht, dass ich nach Jahrzehnten als schreibende Landratte mal wieder einen nach Salzwasser duftenden Tampen in den Händen halten will. Wegen des "Matrosen-Feelings" von damals. So etwas brauche ich hin und wieder. Woher soll er das auch wissen?

Aber was soll's. "Das läuft ja nicht weg."