Ministerpräsident besucht am Tag vor der Haushaltsklausur Stormarn - und verteidigt den eingeschlagenen Sparkurs

Reinfeld. "Ich bin gerne hier, weil Stormarn ein hochinnovativer Kreis ist", sagte Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Peter Harry Carstensen, CDU. Der 63-Jährige besuchte gestern gemeinsam mit Finanzminister Rainer Wiegard, CDU, verschiedene Unternehmen und Institutionen in Stormarn. Seine erste Station: die Reinfelder Firma Tilco Biochemie.

Auf Braunalgen-Basis entwickelt sie zum Beispiel Produkte zur Bodenverbesserung, zum Schutz von Pflanzen vor Krankheiten sowie Futterergänzungsmittel. "Unser Ziel ist es, das biologische Gleichgewicht auf ein hohes Niveau zu bringen. Dafür müssen wir zur Natur zurück. Wir müssen sie verstehen und das, was sie macht, fördern", sagte Geschäftsführer Iradj Scharafat, der in seinem Unternehmen an der Holländerkoppel sieben Mitarbeiter beschäftigt. Seine Arbeit ist für den 71-Jährigen ein Hobby. Scharafat: "Es macht mir einfach unheimlich viel Spaß, so etwas zu entwickeln."

Peter Harry Carstensen, der Agrarwissenschaften studiert hat und von 1994 bis 2002 Vorsitzender des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten des Deutschen Bundestages war, fühlte sich in dem kleinen Betrieb sichtlich wohl. "Keine Frage, mein Herz schlägt immer noch für die Landwirtschaft", sagte der Regierungschef.

Ziel seines Besuches sei es, ein Gefühl zu bekommen, wofür er seine Arbeit mache. Einen Tag vor der heutigen Haushaltsklausur, bei der der neue Etatentwurf von Finanzminister Wiegard vorgestellt wird, verteidigte er den Sparkurs. "Ich habe das Gefühl, wir begreifen die Größenordnung der Schulden nicht." Der CDU-Politiker versuchte, die Zahl anhand eines Beispiels zu veranschaulichen: "Wenn wir die 25 Milliarden Euro Schulden in 100-Euro-Scheinen stapeln würden, bekämen wir eine Höhe von 3,3 Kilometern. Und auch das können wir uns nicht vorstellen."

"Wir wollen Ihre Kasse nicht belasten", sagte Iradj Scharafat, Geschäftsführer von Tilco Biochemie, "im Gegenteil: Wir wollen Geld reinbringen. Uns geht es finanziell gut, wir sind schuldenfrei." Der jährliche Umsatz des Unternehmens betrage 1,5 Millionen Euro. Scharafat: "Das hört sich nicht viel an, aber unsere Kosten sind niedrig." Von dem Gewinn würden neue Maschinen und Anlagen gekauft. "Wir brauchen keine Fördermittel, denn wir investieren nur das Geld, das wir haben", sagte der Geschäftsführer.

Die meisten Probleme würden ihm die Behörden bereiten, zum Beispiel das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL). "Für die Behördenarbeit benötige ich 50 Prozent meiner Zeit", sagte Scharafat. Das machten sich Mitbewerber zunutze. "Industrieverbände und große Konzerne wie Bayer sehen, dass meine Produkte besser sind als ihre und setzen beim BVL Gesetze durch. Die Behörde verbietet dann plötzlich einige Inhaltsstoffe meiner Produkte." Für solche Probleme habe er keine Lobby.

Peter Harry Carstensen widersprach dem Geschäftsführer. In Berlin seien 1900 Lobbyistenverbände aktiv - große und kleine. Der Ministerpräsident: "Ich glaube nicht, dass sie nicht auch etwas Gehör finden würden." Er riet dem Stormarner, das Gespräch mit dem Sprecher der Agrargruppe oder einem Bundestagsabgeordneten zu suchen. "Wenn Sie das nicht tun, können Sie auch nichts erreichen."

Zudem ermunterte er den Stormarner, mit einem praktischen Landwirt zusammenzuarbeiten, zum Beispiel mit Günther Fielmann. "Der geht immer sehr interessiert an solche Themen heran", so Carstensen. Er werde ihn mal darauf anzusprechen, ob er die Produkte des Reinfelders kenne.