Landwirtschaftskammer rechnet mit Mindererträgen und schlechter Getreidequalität

Toppenstedt. Wegen der extremen Trockenheit in den vergangenen vier Wochen müssen die Bauern im Landkreis Harburg mit deutlichen Ertragseinbußen bei der Getreideernte rechnen. Die Erträge bei Gerste und Weizen werden nach Einschätzung der Landwirtschaftskammer Niedersachsen nicht einmal das Durchschnittsniveau der vergangenen fünf Jahre erreichen.

"Eigentlich haben alle eine Rekordernte erwartet", sagt Kreislandwirt Willy Isermann aus Toppenstedt. Ab dem 20. Juni habe sich diese Prognose schlagartig gedreht. Niederschläge blieben aus, nachts bildete sich nur wenig Tau. Das Wasser fehlte. Die Folge: Die Vegetation auf den Feldern brach in kürzester Zeit ein. "Mindererträge und schlechtere Qualitäten gelten inzwischen als nicht mehr abwendbar", sagt Ulrich Peper, Leiter der Landwirtschaftskammer-Außenstelle in Buchholz.

An diesem Wochenende beginnt die Getreideernte im Landkreis Harburg. Nur drei Wochen später werden die Bauern die insgesamt 17 000 Hektar Anbaufläche abgeerntet haben. Als Erstes holen sie die Wintergerste ein. Auch Kartoffeln und Zuckerrüben leiden unter der Trockenheit. Da die Hackfrüchte bis in den Herbst hinein wachsen können, besteht bei ihnen noch die Aussicht auf eine gute Ernte.

Die schlechte Getreideernte in diesem Jahr, bei Wintersaaten bis zu zehn Prozent weniger Ertrag, muss nicht zwangsläufig zu Einkommenseinbußen bei den Bauern führen. Die Experten erwarten höhere Getreidepreise als im Vorjahr. Weltweit sei nur mit einer knapp ausreichenden Getreideernte zu rechnen. Osteuropa, eine der wichtigsten Anbauregionen der Welt, hat unter starker Trockenheit gelitten. Hinzu kommt, dass China und Indien die Weltwirtschaftskrise überwunden zu haben scheinen und die Getreidemärkte leer kaufen. Allerdings können die Getreidepreise auf dem Weltmarkt schwanken wie Aktienkurse von Konzernen. Willy Isermann: "Wenn in Argentinien eine Regenwolke nur gesichtet wird, ohne dass es bereits regnet, nimmt das schon Einfluss auf den Preis. Das ist wie an der Börse." Auch wenn weniger Getreide geerntet werden wird: Auf die Brotpreise dürfte das keinen Einfluss haben. Dafür sei der Anteil des Getreides am Gesamtpreise eines Brotlaibes oder Brötchens einfach zu gering, sagt der Landvolkvorsitzende Rudolf Meyer. Die schlechte Getreideernte könne allenfalls ein Alibi für Preiserhöhungen sein.

Etwa 55 000 Hektar landwirtschaftliche Nutzfläche gibt es im Landkreis Harburg. Davon sind 3 7000 Hektar Ackerland und 18 000 Hektar Grünland. Getreide wird auf 17 000 Hektar angebaut, Mais auf 7000 Hektar. Raps wächst auf 4000 Hektar. Außerdem bauen die Landwirte noch 2500 Hektar Kartoffeln, 1000 Hektar Zuckerrüben und insgesamt 3000 Hektar Sonderkulturen an, das sind Spargel, Salate und Weihnachtsbäume. Die Restackerfläche besteht aus Ackergras und Brachflächen.

Die Agrarwirtschaft in Niedersachsen und ihre nachgelagerten Branchen wie der Ernährungsindustrie bilde nach Angaben der Landwirtschaftskammer den zweitwichtigsten Wirtschaftssektor in dem Bundesland. Nur die Automobilindustrie sei noch produktiver.