Je seltener desto besser. Eduard Dierking sammelt und restauriert alte Motorräder

Dass die Nordheide ein gutes Plätzchen für Oldtimer ist, hat sich unter Freunden alten Bleches herumgesprochen: Gutbürgerliche Borgward-Oldtimer gibt es hier, chromblitzende Straßenkreuzer vom Schlage eines Ford Edsel oder rustikale Lanz-Glühkopftraktoren - ebenso wie Zweiradklassiker von fast vergessenen wie auch weltberühmten Marken.

Die Objekte der Begierde müssen ein vergleichsweise hohes Alter aufweisen, um Sammlerinteresse zu wecken, für ihre Fans gilt dies nicht.

So teilen etwa Eduard Dierking aus Schneverdingen mit 78 Jahren und seine sechs Jahre junge Enkeltochter Luca Anina die Liebe zu Mopeds und schweren Maschinen. Am liebsten würde sie auf allen Maschinen in der großen Halle probesitzen und später mit einem klassischen Motorroller zur Schule zu fahren - das wäre doch auch was Schönes. "Kein Stück. Das wüsste ich", ist der knappe Kommentar vom Großvater. Aber wie es sich auf der "Sitta" sitzt, das darf Luca Anina doch schon mal austesten.

Der Sitta-Roller wurde in Sittensen gebaut

Der Roller mit Ilo-Motor aus Pinneberg ist unter all den seltenen Exemplaren in Eduard Dierkings Sammlung eines der seltensten. Fünf Jahre lang von 1949 bis 1954 wurden in Sittensen - daher der Name "Sitta" - Mopeds und Roller gebaut. Nur acht Stück sollen noch erhalten sein. Das hellgrüne Exemplar ist perfekt restauriert wie etwa die Hälfte der knapp 40 Zweiräder, die Dierking besitzt. Beim Rest wartet noch "ein bisschen Arbeit".

Doch der Großteil der Zeit geht nicht mit Schrauben, sondern mit der Beschaffung von Teilen drauf. So kann eine Restaurierung schon mal zehn oder mehr Jahre dauern, weil der Motor nicht vollständig ist, weil Bremsen, Wellen oder Lenkung fehlen. So können seltene Teile schon mal 1000 oder 2000 Euro kosten.

Auf Dachböden, in Schuppen und Garagen wird Eduard Dierking immer wieder fündig - sei es bei der Suche nach Ersatzteilen oder nach Nachschub für neue Restaurierungen. Aber: Echte Scheunenfunde sind selten geworden - "das ist dann wie ein Sechser im Lotto". Je seltener desto besser - nach diesem Motto sammelt Dierking. So ist es längst nicht nur der materielle Wert seiner Preziosen, der ihn Kaufwillige abweisen lässt. Allein für ein original-unrestauriertes "Victoria"-Motorrad von 1927 will ihm ein Interessent 18 000 Euro bezahlen - "jedes Mal bietet er mehr". Ein Verkauf seiner Lieblinge kommt für Dierking aber nicht in Frage. Schließlich hat jedes Motorrad seine eigene Geschichte.

Wie wäre es damit: Dierkings DKW von 1938 hat Reifen aus Stroh. "Die waren nicht fürs Fahren auf der Straße, sondern nur zum Schieben auf dem Werksgelände - um die Felgen zu schützen". Reifen aus Gummi habe es damals nur auf Bezugsschein gegeben. Wer ein Motorrad kaufte, musste sich die Reifen dafür extra besorgen.

Der damalige Käufer kam aus unerfindlichen Gründen nicht mehr dazu - jedenfalls stand die Maschine, ehe Eduard Dierking sie entdeckte, jahrzehntelang in der Nähe von Fulda im Auslieferungszustand herum - eben auch mit den "Ersatzreifen" aus Stroh. "Die wurde nur geschoben, nie gefahren". Drei Kilometer zeigt der Tacho heute nach über 70 Jahren an.

Oder die BSA von 1922 mit Beiwagen, das älteste Modell in Dierkings Halle: "Ich bin dreimal in London gewesen deswegen. Beim ersten Mal habe ich sie gefunden, beim zweiten Mal gekauft und beim dritten Mal mit dem VW-Bus abgeholt."

1973 war das. Die BMW R 57 aus dem Jahr 1928, die er aus Einzelteilen zusammengebaut hat, bricht ebenfalls Rekorde: "34 Jahre dauerte es, bis ich sie komplett fertig hatte."

Eine "Imme" - das revolutionäre Leichtmotorrad aus Immenstadt im Allgäu - haben heute nur noch wenige Sammler, Dierking hat gleich zwei. Auch Indian Scout, Triumph, Douglas, Hoffmann, NSU, Zündapp, Adler, Schüttoff vertreten.

Und manchmal sind bei seinen Funden überraschenderweise auch Teile übrig. Dann baut Dierking kurzerhand daraus gleich noch ein zweites Motorrad zusammen. So geschehen bei einem BMW-Gespann, das er in Soltau kaufte - "zerlegt in 16 oder 17 Kartons".

Ehefrau Emmi findet das Hobby ihres Mannes toll

Allein mit seiner zweirädrigen Leidenschaft ist der gelernte Schneider nicht. Auch Ehefrau Emmi findet das Hobby toll. Zwar fährt sie nicht selbst, aber mit einer von Eduards Gespannmaschinen auf Tour zu gehen - das gefällt ihr. Schließlich ist die Liebe zu den alten Motorrädern sogar älter als die der Eheleute. "Angefangen habe ich vor 50 Jahren. Da war ich noch Junggeselle", erinnert sich Dierking.